Opposition zieht Bilanz zu Schwarz-Rot:1000 Gründe für einen Plopp

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FDP, Linke und Grüne haben ein Ziel: das Ende der großen Koalition. Damit enden die Gemeinsamkeiten. Das könnte die Regierenden eigentlich freuen.

Thorsten Denkler, Berlin

Dagmar Enkelmann spricht so schnell, dass ihr kurz vor Ende eines Satzes immer die Puste ausgeht. Sie muss dann erst nach Luft schnappen, bevor sie weitersprechen kann. Das klingt dann sehr aufgeregt. Ihre schulterlangen, signalblonden Haare und der knallrote Blazer unterstützen den Eindruck: Hier ist Alarm angesagt.

1000 Tage große Koalition in Berlin lösen einen Großalarm aus bei den Oppositionspolitikern Volker Beck (links), Dagmar Enkelmann und Jörg van Essen. (Foto: Foto: AP)

Alarm wegen eines offenbar so besonderen Datums, dass sich Dagmar Enkelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, und ihre Kollegen Jörg van Essen von der FDP und Volker Beck von den Grünen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz entschlossen haben. Es geht um ein brennendes Thema dieser Zeit, es geht um: 1000 Tage große Koalition.

Am 18. November 2005 haben CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Edmund Stoiber und der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck in Berlin den Koalitionsvertrag unterschrieben. Die beiden Herren sind längst nicht mehr in Amt und Würden. Findige Rechner haben herausgefunden, dass das Ereignis an diesem Donnerstag eben genau 1000 Tage her ist. Außerdem ist Sommerloch.

Die drei Oppositionsvertreter nutzen also die Gunst der Themenflaute, in einer konzertierten Aktion das zu tun, was sie eigentlich am Besten können sollten: ordentlich gegen die Regierung zu poltern.

"1000 Tage regiert, 1000 Tage ist nichts passiert"

Die Einigkeit an dieser Stelle ist groß: Union und SPD können es nicht. Es kommt also auf die Varianten dessen an, wie die schlichte Botschaft verpackt wird. Enkelmann sagt es so: "1000 Tage große Koalition, das sind 1000 gute Gründe, sie nach Hause zu schicken." Volker Beck sagt es mit dem Sänger Klaus Lage: "1000 Tage regiert, 1000 Tage ist nichts passiert." Bei Klaus Lage hat es dann "Zoom gemacht". Merkel und Steinmeier werden bei der Bundestagswahl 2009 nur ein Plopp hinkriegen. "Und dann ist Ende der Veranstaltung." Hofft Beck.

Jörg van Essen wirkt daneben wie ein Politiker aus einer längst vergessenen Zeit. Gescheiteltes Haar, perfekt sitzender, dunkler Anzug. Ganz der Seriöse. Er sagt Sätze wie: "Große Koalition bedeutet für die Bürger vor allem Steuererhöhungen, 19 insgesamt." Und fordert von der Koalition, die Steuern zu senken und ansonsten die Zeit bis zur Bundestagswahl nicht nutzlos verstreichen zu lassen, "sondern das für die Menschen Notwendige zu tun".

Dagmar Enkelmann macht es dagegen nicht unter einem "Politikwechsel". Sie beginnt fast jeden Wortbeitrag damit: "Wir wollen einen Politikwechsel." Unterm Strich geht das so: Mehr Geld für alle. Wenn Enkelmann spricht, verrunzelt sich die Stirn des Grünen Volker Beck so tieffurchig, dass man sie mit Hammer und Meißel wieder glätten möchte. Jörg van Essen dagegen arbeitet sich ab an der Tagesaufgabe: Gesichtsausdruck neutral.

Es soll nur nicht der Eindruck aufkommen, dass die drei politisch irgendetwas gemeinsam hätten. Außer natürlich, dass sie gegen die große Koalition sind.

Im Hickhack den eigentlichen Gegner aus den Augen verloren

In der Disziplin "Immer gegen die Regierung" hat van Essen ja einige Erfahrung. Er ist der Einzige im großen Saal der Bundespressekonferenz, der schon die zweite Legislaturperiode hintereinander Oppositionspolitik machen muss. Da kann man schon mal durcheinander kommen. Zweimal spricht er von "1000 Tage Rot-Grün".

Das freut Volker Beck, der dem FDP-Mann eine prophetische Gabe andichtet. Van Essen gibt zurück, für ihn sei Rot-Grün offenbar ein "so großer Albtraum" gewesen, dass der ihn nicht mehr loslasse.

Enkelmann wiederum greift Becks Optimismus auf. Nach Rot-Grün sehe es derzeit beim besten Willen nicht aus. Da hat sie wohl recht, aber diese Pressekonferenz zeigt auch: Anderen Optionen geht es nicht besser.

Es ist auch um eine schwarz-gelbe Mehrheit rechnerisch nicht gut bestellt. Beck bietet deshalb van Essen eine Ampelkoalition an, worauf der gar nicht erst eingeht. Eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen wiederum lehnt Beck ab, weil er in einer Koalition der Atombefürworter nichts zu suchen habe. Und mit den Linken will eh keiner. Sagen sie zumindest.

Die drei verlieren bei dem Hickhack etwas den eigentlichen Gegner aus den Augen, die große Koalition. Enkelmann versucht es noch mit der Forderung nach einem Konjunkturprogramm. Aber da sei sie ja auf Linie mit CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos. Der damit aber "leider ziemlich alleine" dastehe, sagt Enkelmann.

Beck setzt nach: "Da kann man sehen, wer PDS-Politik will, kann in Bayern auch CSU wählen." Was Enkelmann dazu verleitet, echauffiert ihre blonden Haare zurück zu werfen.

Freuen könnten sich über diesen Auftritt der versammelten Opposition die Koalitionäre von Union und SPD. Wenn die Opposition immer so schön zerstritten wäre, könnten die Regierenden der Bundestagswahl ohne Sorge entgegenblicken. Das Problem ist: Die sind selber so. Wenn nicht noch schlimmer.

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