Online-Überwachung:"Schäuble hat kein schlüssiges Argument"

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Der FDP-Innenexperte Max Stadler über fehlende Beweise in der Argumentationskette des Innenministers und die undurchsichtige Rolle der amerikanischen Geheimdienste beim Fahndungserfolg gegen den Terrorismus.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Stadler, es sind Gerüchte aufgekommen, die deutschen Ermittlungsbehörden hätten möglicherweise auf Informationen aus Online-Durchsuchungen amerikanischer Nachrichtendienste zurückgegriffen. Haben Sie da eigene Erkenntnisse?

FDP-Innenexperte Max Stadler hält nichts von Online-Überwachung (Foto: Foto: dpa)

Max Stadler: Mit dem Fall bin ich ja nicht ganz unvertraut. Ich kann Ihnen sagen: Nach meinem Wissenstand haben heimliche Online-Durchsuchungen von Festplatten keine Rolle gespielt. Hier hat ganz normale Polizeiarbeit zu diesem Fahndungserfolg geführt, also Telefonüberwachung, Überwachung des E-Mail-Verkehrs, Observationen und ähnliches. Das hat mit Online-Überwachung nichts zu tun. Der Fall bestärkt mich aber darin, dass wir für eine hinreichende Personalstärke bei der Polizei sorgen müssen.

sueddeutsche.de: Würden Sie ausschließen, dass amerikanische Geheimdienste eine Rolle in dem Fall gespielt haben?

Stadler: Als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums kann ich keine Einzelheiten nennen. Aber die internationale Zusammenarbeit ist bei der Bekämpfung des Terrorismus unerlässlich. Das ist gut so und offenbar auch in diesem Fall nützlich gewesen.

sueddeutsche.de: Ist die akute Gefahrenlage nach den gestrigen Festnahmen behoben? Von der zehnköpfigen Terrorzelle sollen ja immer noch sieben auf freiem Fuß sein.

Stadler: Die konkrete Gefahr ist bei genauerer Betrachtung schon vor längerer Zeit behoben worden. Die Ermittlungsbehörden haben ja mitgeteilt, dass sie das gefährliche Wasserstoffperoxid frühzeitig ausgetauscht haben, so dass danach keine Gefahr mehr bestand. Aber es bleibt natürlich absolut notwendig, weiterhin auf der Hut zu sein.

sueddeutsche.de: Innenminister Schäuble wirbt nach dem Fahndungserfolg verstärkt für die Online-Überwachung. Freitag wird es dazu eine Sonderkonferenz der Innenminister geben.

Stadler: Wer aus diesem Vorgang jetzt ein Argument für die heimliche Online-Durchsuchung von Computern herleiten möchte, der muss präzise schildern, in welcher Weise dieses Instrument zu dem Fahndungserfolg beigetragen haben soll. Aus meiner Sicht ist der Erfolg allein auf Basis der bestehenden Rechtsnormen zustande gekommen. Daraus lässt sich überhaupt kein Argument für eine Verschärfung der Gesetze ableiten.

sueddeutsche.de: Schäuble spricht von maximal zehn Fällen pro Jahr, die überhaupt für eine Online-Überwachung in Betracht kämen.

Stadler: Das ist kein schlüssiges Argument. Wenn die Methode sowieso kaum zum Einsatz kommen soll, dann muss man die Frage stellen, ob sie wirklich sicherheitstechnisch so unverzichtbar ist. Den Beleg dafür ist Herr Schäuble bisher schuldig geblieben.

sueddeutsche.de: Andererseits sprechen die prognostizierten geringen Fallzahlen dafür, es doch mal auszuprobieren, oder?

Stadler: Nehmen Sie die Telefonüberwachung. Anfangs galt sie noch als ultima ratio, als letztes Mittel, begrenzt auf vier schwere Straftaten. Heute kann sie bei über 90 Straftatbeständen eingesetzt werden. Es gibt 43.000 Anordnungen für Telefonüberwachungen jedes Jahr. Das Beispiel zeigt, dass Anfangs immer versprochen wird, eine Maßnahme eng zu begrenzen. Später wird sie dann nach und nach ausgeweitet.

Max Stadler ist für die FDP stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, dem Geheimdienstausschuss des Bundestages.

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