Online-Durchsuchungen:"Ein Schritt in den Überwachungsstaat"

Lesezeit: 2 min

Die Pläne von Innenminister Schäuble zur heimlichen Online-Durchsuchung gehen offenbar deutlich weiter als bisher bekannt und stoßen auf immer heftigeren Widerstand - nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei den Sozialdemokraten: Sie werfen Schäuble "Tricksereien" vor.

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble CDU) vorgeworfen, seine Pläne für die heimliche Online-Durchsuchung von Computern mit politischen "Tricksereien" durchsetzen zu wollen.

In Bedrängnis: Wolfgang Schäuble (Foto: Foto: AP)

Der Innenminister versuche hinter den Kulissen, SPD-Fachleute auf seine Seite zu ziehen, um die zuständige SPD-Justizministerin Brigitte Zypries damit zu konfrontieren, sagte Struck vor Journalisten in seinem niedersächsischen Wahlkreis in Celle. Namentlich nannte er den SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz.

Der SPD-Fraktionschef betonte, deshalb habe er das weitere Vorgehen in dieser Frage innerhalb der Fraktion zur "Chefsache" gemacht. Es gebe die "klare Weisung", dass es in diesem Punkt keine Regelung mit der Union geben werde, solange das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Kompetenzen des Bundeskriminalamtes nicht vorliege. Struck sagte, die SPD sei nicht grundsätzlich gegen jede Form der Online-Durchsuchungen. Diese müssten aber sehr begrenzt bleiben.

Neue Pläne

Laut Berliner Zeitung gehen Schäubles Pläne deutlich weiter als bisher bekannt. Wie das Blatt unter Berufung auf den Entwurf des Gesetzes für erweiterte Kompetenzen des Bundeskriminalamtes berichtete, soll die Behörde für begrenzte Zeit auch ohne richterliche Genehmigung Online-Durchsuchungen vornehmen dürfen.

Zudem solle ein Zugriff auf Computer künftig auch dann erlaubt sein, wenn durch die Maßnahme unverdächtige Personen mitbetroffen sind. Das könnte der Fall sein, wenn mehrere Personen den betreffenden Computer nutzen oder der PC Bestandteil eines Netzwerks ist. Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, sagte zu dem Vorschlag, mit seiner Partei sei dies nicht zu machen.

"Weit über das Ziel hinaus"

Heftige Kritik an den Plänen Schäubles zu geheimen Online-Durchsuchungen von Computern kommt auch von der FDP. Der Innenexperte der Partei, Max Stadler, lehnt Online-Durchsuchungen generell ab, weil es sich dabei um einen Eingriff in die Privatsphäre handele, "der noch schwerer wiegt als der sogenannte große Lauschangriff".

Stadler monierte, Schäubles Pläne gingen "weit über das Ziel hinaus". Die heimliche Online-Durchsuchung schaffe Misstrauen und sei "ein Schritt in den Überwachungsstaat". Auch ist sie laut Stadler nicht erforderlich, da es genug Mittel zur Verhinderung terroristischer Anschläge gebe wie beispielsweise Telefonüberwachungen oder die Beschlagnahme von Computern auf richterlichen Beschluss.

Zudem brauchten die Sicherheitsbehörden für ihre Arbeit auch das Vertrauen der Bevölkerung, aber mit den Vorschlägen des Innenministeriums werde dieses Vertrauen untergraben, so der FDP-Politiker. "Was sollen die Bürger denken, wenn plötzlich E-Mails von Behörden kommen und in Wahrheit da Trojaner drinstecken, mit denen dann ihre Computer überwacht werden", fügte Stadler hinzu.

"Richterliche Genehmigung nicht ausreichend"

Der Berater für Datenschutz der EU-Kommission, Spiros Simitis, kritisierte Online-Durchsuchungen als unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Er mahnte, jeder Bürger müsse bei einer Mitteilung einer staatlichen Stelle davon ausgehen können, dass diese nicht versucht, damit an private Informationen zu gelangen. Simitis unterstrich zugleich, dass eine richterliche Genehmigung von Online-Durchsuchungen nicht ausreichend wäre.

Diese Genehmigung sei ein Filter, der nur funktionieren könne, wenn von vornherein bestimmte Grenzen gesetzt seien, an die sich auch die Richter zu halten hätten. "Mit anderen Worten: Es ist ein erster Schritt, aber kein ausreichender Schritt. Wenn man auch den weglässt, gibt es überhaupt keine vorbeugende Kontrolle", warnte er.

Schäubles Pläne dürften auch in Berlin bei der dritten Beratungsrunde von Sicherheitsexperten der Koalition über die umstrittenen geheimen Online-Durchsuchungen von Privatcomputern an diesem Freitag für lebhafte Diskussionen sorgen.

Der Widerstand bei SPD und Datenschützern dagegen hatte sich zuletzt verhärtet, nachdem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unter anderem vorgeschlagen hatte, zur Installierung der Spähprogramme auf den Computern Verdächtiger gefälschte Amts-E-Mails als Türöffner zu benutzen.

© dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: