Omar bin Laden:Zwischen Calvin Klein und großen Plänen

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Besuch beim Sohn des meistgesuchten Mannes der Welt: Omar bin Laden über die Ausbildung in den Terrorcamps seines Vaters, einen Ritt durch die Wüste - und seine Rolle als Versöhner.

Tomas Avenarius

Der Botschafter des Friedens trommelt für Calvin Klein. In fetten Lettern steht der Name des Modemachers auf dem T-Shirt, die silbrigen Buchstaben spannen sich quer über die Brust wie Kinowerbung an der Litfaßsäule. Dem Vater würde, das ist klar, so etwas nicht gefallen. Die Welt kennt ihn im weißen Gewand, darüber die alte Armeejacke und den grauen Bart, als Accessoire allenfalls eine russische Maschinenpistole am Arm.

Omar bin Laden, Sohn des weltweit meistgesuchten Mannes und Botschafter Calvin Kleins. (Foto: Foto: AP)

Für einen amerikanischen Unterhosenschneider zu werben, dessen Firma bekannt ist für hautbetonte Werbung, wäre Osama bin Ladens Sache sicher nicht. Aber das ist eine andere Geschichte: Im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan gibt es keine Calvin-Klein-Shops.

Dort werden die Unterhosen auf dem Dorfbasar verkauft, zwischen Hülsenfrüchten, Spitzhacken und den Kanistern mit dem Motoröl. Was kann einer schon für seinen Namen? Omar bin Laden mag der Sohn des weltweit meistgesuchten Mannes sein, Kind des Al-Qaida-Führers und damit Nachkomme jenes Mannes, der für den Terror des 11. September verantwortlich ist.

Doch kaum einer würde sich für ihn interessieren, außer ein paar Geheimdienstleuten, Polizeioffizieren oder einem an der 35. Bin-Laden-Biographie schreibenden Journalisten.

Gerne Rastalocken

Was bin Laden junior für Hemden trägt, mit wem er verheiratet ist oder was er denkt, wäre seine eigene Sache. Nur: Omar bin Laden sucht selbst die Öffentlichkeit in diesen Tagen, und das sehr nachdrücklich. Weshalb der Sohn des Al-Qaida-Chefs einem ununterbrochen begegnet - bin Laden bei CNN, im ägyptischen Fernsehen, in den Zeitungen, Journalen, im Internet.

Was der 27-Jährige dort zu sagen hat? Nichts Schlechtes, aber auch nichts wirklich die Welt Bewegendes. "Ich appelliere an meinen Vater und an alle, die seine gewaltsamen Ideen übernommen haben, einen Dialog zu beginnen und den Konflikt mit dem Westen einzustellen."

Das Töten unschuldiger Menschen stehe "im Widerspruch zum Islam, der Demokratie, der Menschlichkeit", so spricht der junge bin Laden. All das hat man schon öfter gehört, wenn auch von anderen. Es klingt gut, aber es hat wenig gefruchtet zwischen Peschawar in Pakistan und Madrid oder London. Omar bin Laden sagt jedenfalls: "Ich möchte ein Botschafter des Friedens sein."

Beim Treffen in einer Neubausiedlung am Stadtrand von Kairo zeigt sich, dass er wirklich aussieht wie sein Vater: das schmale Gesicht, die dunklen, leicht verschatteten Augen, der hohe Wuchs. Nur der Bart ist deutlich knapper, auf Kinn und Oberlippe zurechtgestutzt. Dafür ist der Zopf ziemlich lang, zu dem er sein Haar im Nacken zusammengebunden hat. Er trägt es gerne zu Rastalocken verflochten.

Irgendwie versteht man die Friedensappelle des Omar bin Laden besser, wenn man mit seiner Frau spricht: Zeinah al-Sabah hieß früher Jane Felix Browne, ist Britin und offenbar die treibende Kraft hinter der Idee, jetzt mit einem Ritt durch Nordafrikas Wüsten für den Weltfrieden zu werben. Die 52-Jährige redet viel, und manchmal auch für ihn. Über das geplante Pferderennen, das "der längste Ritt jemals überhaupt sein soll - 5000 Kilometer". Sie will dabei "Menschen aller Länder, aller Religionen und Kulturen versammeln". All das klingt gut, aber auch ein bisschen nach Fähnlein Fieselschweif zu Pferd, unterwegs für die gute Sache.

Sponsoren gesucht

Wichtige Firmen wollen sie gewinnen, das Projekt zu unterstützen: So brauchen sie Pferde, aber auch Begleitfahrzeuge. Sie denkt an Mercedes, die bauen schließlich Geländewagen. In Kairo mag das vorstellbar sein.

Aber die Manager in der PR-Abteilung in Stuttgart werden ihr Geld, ihre Jeeps und ihre Marke kaum zur Verfügung stellen für einen Friedensmarsch zu Hufe, bei dem der Name bin Laden im Kopf der Beobachter auf den Schabracken und Sätteln der Rösser stehen wird wie das Adidas-Zeichen auf dem Hemdkragen von Fußballtrainern im Sportstudio. Aber Frau bin Laden lässt sich von so etwas nicht beirren. Sie sagt: "Der Name soll nicht auftauchen. Es ist ein Friedensmarsch zu Pferd und sonst nichts."

Nur geht der Ritt quer durch Nordafrika möglicherweise in die falsche Richtung. Besser wäre es vielleicht, die Bin-Laden-Kavalkade bräche von Kairo aus nicht auf in Richtung Westen, sondern nach Osten. Nach Afghanistan. Vielleicht könnte Omar bin Laden dort sogar seinen Vater für seine Friedenssache gewinnen. Zumindest ist der Alte ein großer Pferdenarr.

"Mein Vater ist bereit zu verhandeln"

Omar bin Laden ist nur eines von ungefähr 19 Kindern des mit mehreren Frauen verheirateten Al-Qaida-Führers, er ist als viertältester Sohn bei ihm aufgewachsen - im Sudan und später in Afghanistan. Dort hat er auch eine Ausbildung in einem der vielen Terrorcamps am Hindukusch gemacht. "Das war gar nichts Besonderes. Eine simple militärische Ausbildung wie in jeder Armee der Welt", sagt Omar bin Laden.

Den Vater hat er im Jahr 2000 das letzte Mal gesehen, als Omar sich entschieden hat, die Waffen abzulegen und Afghanistan zu verlassen. Er lehne den Weg ab, den sein Vater eingeschlagen hat. Er könne aber dessen Motive verstehen - schließlich kämpfe er "nur gegen die, die Muslime töten, die islamisches Land besetzen". In einem aber ist der junge bin Laden sicher: "Mein Vater ist bereit zu verhandeln."

Die Jugend in Afghanistan hat er so erlebt: "Das Leben dort ist anders. Nicht so gehetzt wie in Kairo oder sonstwo auf der Welt." Natürlich hat er im Haus seines Vaters all die berüchtigten Männer gesehen, die auf den weltweiten Terrorsteckbriefen direkt hinter dessen Bild zu finden sind. Den einäugigen Talibanführer Mullah Omar etwa oder den Ägypter Aiman al-Zawahiri, der so etwas ist wie der Chefideologe der al-Qaida.

Wie ein Déjà-vu

Nur war es offenbar nicht so, dass die Onkel Omar und Aiman einfach so vorbeikamen bei den bin Ladens in Kandahar am Abend auf ein Glas Tee. "Jeder von ihnen hatte sein eigenes Umfeld. Sie kamen nur zusammen, wenn sie etwas zu besprechen hatten." Was Omar bin Laden aus den Al-Qaida-Zeiten in Kandahar, Kabul und Dschalalabad erzählt, klingt weniger nach Freunden als nach Arbeitskollegen. Wenn auch in einer sehr eigenen Branche.

So erinnern Omar bin Laden und seine Frau am Ende doch nur an jene ungezählten und leicht vergänglichen Gäste irgendwelcher Talkshows, die für eine kurze Weile fest mit den Polstermöbeln der Fernsehstudios verwachsen zu sein scheinen, bis sie die Regie dann ganz plötzlich und unerwartet hinter die Kulisse und ab in den Fundus schiebt.

Das wirkt in diesem Fall ein bisschen wie ein Déjà-vu: Die beiden waren schon einmal Stoff der Gazetten, als die heute 52-jährige Jane Felix Browne den halb so alten bin Laden heiratete. Es war ein gefundenes Fressen für die britischen Boulevardzeitungen, die weltweit führend sind in Sachen des schlechten Geschmacks. Aber so ist es wohl, wenn man diesen Namen trägt. Omar bin Laden sagt dazu nur: "Manchmal ist es schwer mit diesem Namen, manchmal ist es nicht schwer. Was soll's, es ist der Name, den Gott mir gegeben hat."

© SZ vom 01.02.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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