Olympische Spiele in Peking:EU-Außenkommissarin droht mit Boykott

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Nach Ansicht der EU-Kommissarin Ferrero-Waldner können die Olympischen Spiele nur in einem Umfeld stattfinden, in dem Menschenrechte respektiert werden. Unterdessen hat China angekündigt, die Hinterbliebenen toter Zivilisten in Tibet finanziell zu entschädigen.

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat sich dafür ausgesprochen. das Verhalten Chinas vor der Entscheidung über einen Olympia-Boykott genau zu analysieren.

EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner kann sich einen Boykott der Olympischen Spiele vorstellen. (Foto: Foto: ddp)

"Die Olympischen Spiele können nach meiner festen Überzeugung nur in einem Umfeld stattfinden, das den olympischen Geist widerspiegelt. Dazu gehört die Respektierung der Menschenrechte, ebenso die uneingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit", sagte Ferrero-Waldner der Bild am Sonntag. "Wir sollten uns genau anschauen, wie sich Peking in den nächsten Wochen verhält - und dann über Boykottmaßnahmen entscheiden."

Die österreichische EU-Kommissarin forderte, die chinesische Regierung müsse Verhandlungen mit Vertretern des Dalai Lama aufnehmen "mit dem Ziel, die Diskriminierung des tibetischen Volkes zu beenden". Die Gewalt gegen friedliche Demonstranten "muss ein Ende haben".

Ferrero-Waldner erinnerte zugleich an die Verantwortung der Wirtschaft. "Unternehmer, die in China tätig sind, sollten in besonderer Weise die Achtung der Menschenrechte einfordern", sagte sie. "Man kann Geschäfte nicht von heute auf morgen abdrehen. Aber in einer Situation, wie sie in Tibet herrscht, haben auch Unternehmen eine Verantwortung."

Entschädigung für Familien

Unterdessen hat China angekündigt, die Hinterbliebenen der zivilen Todesopfer von Tibet finanziell zu entschädigen. Jede Familie, die bei den Unruhen in der tibetischen Hauptstadt Lhasa einen Angehörigen verloren habe, solle 200.000 Yuan (etwa 18.000 Euro) erhalten, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am späten Freitagabend unter Berufung auf die Regionalregierung.

Verletzte hätten das Recht auf eine kostenlose medizinische Behandlung. Den Menschen werde außerdem geholfen, ihre während der Proteste beschädigten Häuser und Geschäfte zu reparieren oder neu aufzubauen, hieß es weiter.

Nach offiziellen chinesischen Angaben starben bei den Protesten in Tibet 18 Zivilisten und ein Polizist. Die tibetische Exil-Regierung setzt die Opferzahl weit höher an und spricht von 140 Getöteten. Das harte Durchgreifen der chinesischen Behörden gegen die Demonstranten in Lhasa und die anschließende Abriegelung der Region war von westlichen Staaten heftig kritisiert worden.

Die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Barbara Lochbihler, forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge in Tibet durch die Vereinten Nationen. Sie sagte der hannoverschen Neuen Presse: "Wenn es die Führung in Peking mit Offenheit ernst meint und nichts zu verbergen hat, sollte sie eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen erlauben."

Lochbihler befürchtet, "dass die Festgenommenen unter extremen Haftbedingungen zu leiden haben". Völlig unklar sei, ob sie Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu Rechtsanwälten hätten. Einen Boykott der Olympia-Eröffnungsfeier sieht die Menschenrechtlerin dennoch skeptisch. "Die Olympischen Spiele sollten zum Anlass genommen werden, strukturelle Veränderungen zu erreichen", sagte die Generalsekretärin.

Mündige Athleten

Regierungen, Sportverbände und Sponsoren seien gefordert, im direkten Gespräch mit den chinesischen Verantwortlichen konkrete Fortschritte einzufordern. Lochbihler forderte: "Die Presse muss sich frei im Land bewegen dürfen, die Internetzensur muss beendet werden." Um dies zu erreichen, seien Öffentlichkeit und Druck erforderlich.

Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), sprach sich auch gegen Protestaktionen deutscher Sportler bei den Olympischen Spielen in Peking aus. "An den olympischen Stätten sind politische Demonstrationen untersagt, und das aus gutem Grund", sagte Vesper in einem Interview der Frankfurter Rundschau.

Als Maulkorb wolle er die Rücksicht auf die Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aber nicht verstanden wissen. Es gelte das "Leitbild des mündigen Athleten - wenn man so will also des mündigen Staatsbürgers im Sportdress. Der soll sich eine Meinung bilden, sie sagen und öffentlich vertreten wenn er es will." Außerhalb der olympischen Stätten könne und solle jeder Athlet seine Meinung zu diesen Fragen kundtun.

Der Dalai Lama sieht die tibetische Kultur derweil auch durch Chinas Siedlungspolitik bedroht. Die gezielte Ansiedlung von Chinesen lasse die Tibeter zur Minderheit im eigenen Land werden, sagte der Dalai Lama am Samstag. In Tibets alter Hauptstadt Lhasa würden derzeit rund 100.000 Tibeter leben, aber doppelt so viele Chinesen. China nutzt die Ansiedlung von Han-Chinesen, also Chinesen der Mehrheitsethnie, seit Jahren als politische Strategie.

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