Österreich:Ex-Bischöfin tritt wegen Haider aus Kirche aus

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Die österreichische Theologin Gertraud Knoll hat die evangelische Kirche verlassen - wegen eines salbungsvollen Hirtenbriefs zum Tode Jörg Haiders.

Nina Jauker

Gertraud Knoll ist dafür bekannt, konsequent die eigene Linie zu verfolgen. Die evangelische Pastorin, die lange Superintendentin im österreichischen Burgenland war, ist Anfeindungen gewohnt.

Gertraud Knoll während ihrer Kandidatur für das Bundespräsidentenamt im Jahr 1998. (Foto: Foto: Reuters)

Stimmproben bei der Polizei

Ihr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus hatte ihr genügend Feinde gemacht. Nachdem sie im Jahr 1995 am Grab von vier bei einem Rohrbomben-Anschlag getöteten Roma gepredigt hatte, erhielt sie Polizeischutz. Ihre drei Kinder konnten nicht mehr unbegleitet in die Schule gehen, deren Stimmproben lagen wegen Entführungsgefahr bei der Polizei.

Neben dem braunen Terror gab es damals auch aus dem Umfeld von Jörg Haiders FPÖ Widerstand und Agitation gegen die Theologin - denn Knoll engagiert sich seit langem für die SPÖ. Das Magazin News warf der FPÖ-Parteizentrale angesichts der Drohungen gegen Knoll im Jahr 2000 vor, "dieser schamlosen Menschenjagd" genüsslich zuzusehen.

In der Kirche hatte Knoll zuletzt keine Funktionen mehr. 1998 kandidierte sie für das Bundespräsidentenamt und erreichte den zweiten Platz. 2002 holte Alfred Gusenbauer sie in die Politik, bis zur letzten Nationalratswahl saß sie im Parlament.

Zweifellos ist die Österreicherin eine bekannte Figur. Ihr Austritt aus der Kirche, der am Donnerstag bekannt wurde, hat denn auch Signalwirkung. Die Ursache für ihren Schritt liegt bereits einige Wochen zurück. Nachdem Jörg Haider betrunken in den Tod gerast war, verfasste der Kärntner Superintendent Manfred Sauer einen Nachruf auf die Galionsfigur der rechtsextremistischen FPÖ und später seiner Neugründung BZÖ.

"Glatter Missbrauch" eines Hirtenbriefs

Der Kirchenmann lobte Haider als "charismatischen und leidenschaftlichen Politiker mit Leib und Seele, der wie kein anderer das politische Geschehen der Zweiten Republik mitgeprägt und gestaltet hat," als einen "äußerst zuvorkommenden, herzlichen und einfühlsamen Menschen," der "oft sehr spontan und unbürokratisch" geholfen hätte.

Der Nachruf sorgte für Aufruhr - und nicht nur Gertraud Knoll fand das Schreiben etwas zu salbungsvoll. Nachdem die Kirchenoberen nicht auf das Schreiben reagierten, zog Knoll Konsequenzen. Sie sieht ihren Austritt als "Ausdruck meiner protestantischen Identität". Die Pastorin empörte sich zum einen über den Inhalt des Briefes: Man könne "nicht ein bisserl gegen Antisemitismus sein oder dazu schweigen, dass Haider Asylbewerber auf eine Kärntner Alm verfrachtete oder Angehörige der Waffen-SS als anständige Menschen bezeichnet hat."

"Nicht Austreten, sondern Auftreten"

Zum anderen bezeichnete sie es als "glatten Missbrauch", einen Hirtenbrief, der in den Gemeinden am sonntäglichen Gottesdienst verpflichtend vorgelesen werden müsse, für einen Nachruf zu benutzen.

Die Reaktion der Kirche ist zurückhaltend. Der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. (Augsburger Bekenntnisses) in Österreich, Michael Bünker, bedauert den Austritt zwar persönlich, kann Knolls Entscheidung jedoch nicht nachvollziehen: "Sachliche Kontroversen lösen wir in unserer demokratischen Gesellschaft nicht mit Austreten, sondern mit Auftreten."

Der Verfasser des Hirtenbriefs, Manfred Sauer, gilt als liberal und zeigte sich sehr betroffen. Zu der Kritik, die es auch in seiner Kärntner Kirche gab, sagte er: "Ich würde es nicht mehr als Hirtenbrief, sondern als Beileidsbekundung verfassen, so war es auch gedacht." Ihm sei es um den Menschen Jörg Haider gegangen, und er habe es als seine Aufgabe gesehen, "im Angesicht des Todes zu versöhnen und nicht Gräben aufzureißen."

"Zynisch und empörend"

Wenig versöhnlich mit dem beschönigenden Brief zeigte sich neben Knoll und weiteren Kirchenmitgliedern auch die Evangelische Akademie Wien. In einem offenen Brief vom 3. November kritisierte der Vorstand der Akademie Sauers Hirtenbrief scharf. Man sei "bestürzt und empört", denn die Worte Sauers erweckten den Eindruck, "als ob Dr. Haider ein engagiertes christliches Leben geführt hätte". Durch seine Politik in Kärnten, aber auch in ganz Österreich, habe er die Rolle von Minderheiten immer wieder "gröblich missachtet", hält die evangelische Bildungseinrichtung fest. In seinen Wahlkämpfen habe er auch in Wien immer wieder gezielt Ressentiments und Vorurteile gegen sprachliche, religiöse und ethnische Minderheiten eingesetzt und mit dem Thema "Ausländerfeindlichkeit" Stimmen gewinnen wollen. Auch viele engagierte evangelische Christen hätten wie etwa beim "Lichtermeer" gegen die Politik Jörg Haiders protestiert.

Sauers Satz, dass Haider immer "große Sympathie und Bewunderung mit Luther" verbunden habe, sei "zynisch und empörend."

Schließlich stellte auch die Superintendentenkonferenz am 6. November - in gemeinsamer Sitzung mit dem Kärntner Superintendenten Manfred Sauer - fest, "dass die Form des Hirtenbriefs für den Ausdruck der persönlichen Betroffenheit anlässlich des Todes von Landeshauptmann Dr. Jörg Haider nicht angemessen war".

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