Ökostromgesetz EEG:Unter Strom

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Bis weit in die Nacht ringen Vertreter von Bund und Ländern um die Ökostrom-Reform. Doch dann verlässt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer verärgert die Konferenz.

Von Michael Bauchmüller und Robert Roßmann, Berlin

Gegen 22 Uhr wird es Horst Seehofer zu bunt. Er packt seine Unterlagen, steht auf und geht - grußlos. So endet für ihn eine Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Bund und Länder sich auf die Zukunft des Ökostroms einigen wollen. Ohne Seehofer aber geht das nicht mehr. Die Sitzung läuft zwar weiter, die Hoffnungen auf eine umfassende Einigung sind in diesem Moment aber verflogen.

Drei Stunden später, um kurz nach eins, versucht Angela Merkel die verpasste Einigung dieses Abends zu erklären. Sie spricht etwas nebulös von "konstruktiven Beratungen", von "Orientierungspunkten". "Ich glaube, wir haben die größte Wegstrecke zurückgelegt", sagt die Kanzlerin etwas blass.

Einigkeit, immerhin, besteht zu diesem Zeitpunkt über eine grundlegende Reform des Ökostrom-Gesetzes EEG. Wer ein neues Windrad oder einen Solarpark baut, soll nicht mehr für den eingespeisten Strom eine gesetzlich festgelegte Förderung erhalten, sondern muss vorher an einer Ausschreibung teilnehmen. Den Zuschlag erhält, wer sich mit den geringsten Fördersätzen zufrieden gibt. Nur für kleine Anlagen gilt die alte Förderung weiter.

Schon das barg in der Sitzung einigen Sprengstoff. Denn wie schnell die Energiewende vorankommt, hängt im neuen System von den vorab festgelegten Strommengen ab. Vor allem norddeutsche Länder, aber auch Baden-Württemberg pochten auf möglichst hohe Mengen. Am Ende einigten sich die Länder - in Abwesenheit Seehofers - auf jährlich 2800 Megawatt. Auf Ausschreibungen in diesem Umfang sollen sich Windparkbetreiber von 2019 an bewerben können, die Menge entspricht zwischen 600 und 800 Windrädern. Allerdings muss es sich nicht um zusätzliche Windräder handeln - werden alte Anlagen durch neue ersetzt, soll das auch über die Ausschreibungen laufen. In den nächsten Jahren dürfte dieses sogenannte "Repowering" massiv an Bedeutung gewinnen.

Wer ein neues Windrad baut, soll in Zukunft an einer Ausschreibung teilnehmen: Den Zuschlag erhält, wer sich mit den geringsten Fördersätzen zufrieden gibt. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Zugleich verständigten sich Bund und Länder auf die Einrichtung von "Netzengpassgebieten". Wo das Stromnetz überlastet ist, soll die Ausschreibungsmenge gedrosselt werden, auf 60 Prozent dessen, was in diesen Gegenden in den vergangenen drei Jahren errichtet wurde. Vor allem Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen könnten davon betroffen sein, dort könnten dann jährlich nur Windparks mit rund 900 Megawatt Leistung ausgeschrieben werden. In den übrigen Bundesländern ist es entsprechend mehr.

Bei Solarparks einigten sich Bund und Länder auf jährlich 600 Megawatt Zubau, ebenfalls per Ausschreibung. Für Hausbesitzer, die sich selbst eine Solaranlage anschaffen wollen, ändert sich nichts: Für Anlagen, die bis zu 750 Kilowatt Strom erzeugen, bleibt es bei fixen Fördersätzen.

Bliebe noch das heikle Thema Biomasse. Seit jeher ist sie ein Herzensthema Bayerns: Viele Landwirte haben darin eine neue Einkommensquelle gefunden, sie erzeugen aus Biogas gut bezahlten Ökostrom. Allerdings ist die bisherige Förderung auf 20 Jahre befristet, peu à peu läuft sie in den nächsten Jahren aus. Weil diese Art Ökostrom eher teuer ist, wollte das Bundeswirtschaftsministerium sie nur noch in homöopathischen Dosen verabreichen, Bayern aber verlangt mehr: Jährlich müssten auch hier Anlagen mit mindestens 250 Megawatt Gesamtleistung ausgeschrieben werden, forderte der Freistaat, darunter gehe nichts. Sowohl bestehende als auch neue Anlagen sollten sich bewerben können. Das waren die Fragen, über die Seehofer in der Ministerpräsidentenkonferenz bis zu seinem Abgang reden wollte.

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(Foto: SZ-Grafik; Quellen: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, Bundesnetzagentur)

SZ-Grafik; Quellen: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, Bundesnetzagentur

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(Foto: SZ-Grafik; Quellen: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, Bundesnetzagentur)

Am Vormittag danach heißt es in seinem Umfeld, Seehofer habe das Treffen verlassen, weil er über "die ineffiziente Sitzungsführung verärgert" gewesen sei. In zahlreichen Vorgesprächen, etwa mit Kanzleramtschef Peter Altmaier und der Amtschefin der bayerischen Staatskanzlei, Karolina Gernbauer, sei vieles vorgeklärt gewesen. Doch statt sich auf die noch strittigen Punkte zu konzentrieren und diese politisch zu lösen, sei alles "wie in einer redaktionellen Sitzung Satz für Satz" noch einmal von vorne besprochen worden. Seehofer habe "es dann gereicht", sagen seine Leute. Er habe deshalb die Sitzung verlassen und Gernbauer an seiner Stelle weiterverhandeln lassen.

Delikat ist dieses Verhalten Seehofers auch deshalb, weil die Sitzung von der Kanzlerin höchstselbst geleitet wurde. "Merkel hat vor aller Augen einen ziemlichen Autoritätsverlust erlitten", heißt es deshalb aus dem SPD-Lager.

Nun aber drängt die Zeit. Das neue Gesetz muss zur Jahreswende in Kraft treten, vorher aber noch die Zustimmung der EU-Kommission erhalten. Schon nächste Woche will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) es im Kabinett einbringen, samt einer Lösung bei der Biomasse. Und so sollte das EEG beim Koalitionsausschuss am Mittwochabend schon wieder besprochen werden. Vorausgesetzt, Horst Seehofer bleibt so lange.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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