Obamas Besuch in Jerusalem:Offener Brief an Gott

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Während seiner Nahostreise hat Obama die Klagemauer besucht und einen Zettel mit seinen Wünschen hinterlegt. Eine israelische Zeitung hat diesen Zettel veröffentlicht - und gegen ein Gebot verstoßen.

Thorsten Schmitz

Der Besuch des US-Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama Ende vergangener Woche an der Klagemauer im jüdischen Teil der Altstadt von Jerusalem sorgt für Unruhe im religiösen Lager. Nach einem äußerst anstrengenden Tag in Israel und in den Palästinensergebieten hatte Obama am Donnerstag, vor seinem Abflug nach Berlin, die Klagemauer aufgesucht, den heiligsten Ort der Juden.

Barack Obama während seines Besuchs in Jerusalem. (Foto: Foto: Getty Images)

Es war etwa vier Uhr morgens, als Obama und ein Tross von Leibwächtern vor der heiligen Stätte eintrafen. Der für die Klagemauer zuständige Rabbiner Schmuel Rabinovitz hatte für den Senator aus Illinois auf Schlaf verzichtet und ihm die Bedeutung der Klagemauer als eine Art Zettelkasten erläutert.

Zettel in den Ritzen

Am Ende ihrer Gebete stecken Juden Zettel in die Ritzen der Klagemauer, auf denen sie um Gesundheit, Heirat, Kinder oder mehr Geld vom Arbeitgeber bitten. Juden können ihre Botschaften an Gott auch an die Klagemauer-Verwaltung faxen und emailen, die diese dann in Mauerritzen steckt.

Oberstes Gebot an der heiligen Mauer: Niemand außer dem Verfasser darf die Botschaften lesen. Mehrere Male im Jahr werden die mit Zetteln vollgestopften Ritzen gereinigt, die Gottes-Botschaften werden begraben und nicht einfach weggeschmissen. Die millionenfachen Wünsche besitzen den Status eines Gebetsbuches.

Der marktschreierischen Zeitung Maariv allerdings sind offenbar nicht alle Botschaften heilig. Am Wochenende veröffentlichte das Blatt auf seiner Titelseite die von Obama handschriftlich verfasste Note - und löste damit erhebliche Empörung aus, vor allem bei der Klagemauer-Verwaltung. Sie sieht nun ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr, besonders bei den Betenden, die ihre Botschaften faxen oder mailen.

Maariv behauptet, es habe Obamas Botschaft von einem jüdischen Religionsstudenten erhalten, der sie unmittelbar nach dessen Abreise aus der Ritze gezogen habe.

In der Botschaft, an deren Authentizität nach Angaben des Klagemauer-Rabbiners Rabinovitz kein Zweifel besteht, schrieb Obama: "Gott, beschütze meine Familie und mich. Vergib mir meine Sünden und behüte mich vor Stolz und Verzweiflung. Gib mir die Weisheit zu tun, was richtig und gerecht ist. Und mache mich zu einem Instrument Deines Willens." Rabinovitz warf dem Massenblatt vor, die "intime Beziehung" zwischen dem betenden Obama und dessen Gott verletzt zu haben.

© SZ vom 28.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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