OB Sören Link:"Am Rande unserer Kapazitäten"

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Sören Link, 38, ist seit Juli 2o12 Oberbürgermeister von Duisburg. Aufsehen erregte er, als er 2014 Zelte für Flüchtlinge aufbauen ließ. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Sören Link, der Oberbürgermeister von Duisburg, ist zum Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt nicht eingeladen. Dabei schultern Kommunalpolitiker wie er die Hauptlast der Unterbringung.

interview Von Jan Bielicki, München

Mehr als doppelt so viele Flüchtlinge wie noch 2014, 450 000, könnten in diesem Jahr in Deutschland Asyl beantragen. Davon geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Schreiben an die Bundesländer aus. Kanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel und zuständige Kabinettsmitglieder beratschlagen an diesem Freitag mit den Ministerpräsidenten von acht Ländern, wie es in der Flüchtlingspolitik weitergehen soll. Nicht dabei: Vertreter der Kommunen.

SZ: Herr Oberbürgermeister, ärgert es Sie, dass die Kommunen nicht mitreden dürfen, wenn es um Flüchtlinge geht?

Sören Link: Es ist bezeichnend und hochgradig ärgerlich, dass diejenigen, die die eigentliche Integrationsarbeit leisten, nicht mit am Tisch sitzen. Es wird wieder nicht mit uns, sondern über uns gesprochen.

Was erwarten Sie denn?

Dass sich Bund und Länder endlich zur gesamtstaatlichen Verantwortung beim Thema Asyl bekennen. Und dem auch Taten folgen zu lassen. Es kann nicht sein, dass die Koalition verspricht, Asylverfahren auf drei Monate zu verkürzen, und man derzeit mehr als sieben Monate dafür braucht. Ich erwarte aber auch, dass sich der Bund finanziell an den Lasten beteiligt.

Was kommt da auf Duisburg zu?

Schwer zu prognostizieren. Nach den derzeitigen Zahlen des Bundes gerechnet, erwarten wir dieses Jahr 1500 neue Flüchtlinge in Duisburg. Und wir sind jetzt schon am Rande unserer Kapazitäten. Wir beschlagnahmen Wohnungen, wir bauen Unterkünfte. Das bindet enorme Summen und Personal. Man kann es aber selbst dem Gutwilligsten kaum noch erklären, dass wir mit dem Kita-Ausbau kaum hinterherkommen, Schulen und Straßen nicht sanieren können, weil wir gezwungen sind, die Lasten zu tragen, die entstehen, wenn wir Menschen, die aus Krieg, Not und Unterdrückung zu uns gekommen sind, menschenwürdiges Wohnen ermöglichen wollen. Der Bund muss sich darum an der Unterbringung beteiligen, an den Betonkosten wie an der Betreuung.

Der Bund hat ja für dieses und nächstes Jahr je eine halbe Milliarde Euro zugesagt. Ist das nicht genug?

Beileibe nicht genug. Unsere Kosten sind in fünf Jahren um 250 Prozent gestiegen.

Sind da nicht auch die Länder gefragt?

Alle, Bund, Länder und Kommunen, müssen an einem Strang ziehen. Wir sind darauf angewiesen, dass die menschenwürdige Aufnahme gelingt. Denn sogar in einer weltoffenen Stadt wie Duisburg stößt man an Grenzen bei der Bevölkerung. Darum müssen Bund und Länder das Geld geben, damit Kommunen und Bürger die Integration leisten können. Es gibt aber Bereiche, in denen nur der Bund helfen kann.

Wobei?

Wenn derzeit 60 Prozent der Asylantragssteller aus den Balkanstaaten kommen und keine Aussicht haben, anerkannt zu werden, dann sollte der Bund für eine zentrale Unterbringung dieser Menschen sorgen. Das würde die Lage vor Ort sehr schnell entschärfen. Und der Bund hätte zudem ein Interesse daran, die Verfahren sehr schnell zu Ende zu führen.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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