NS-Verbrechen in Italien:Unrecht und Recht

Eigentlich müssen sich Staaten nicht vor ausländischen Gerichten verantworten. Im Fall italienischer Opfer von Nazi-Massakern ist das anders. Das stellt Deutschland vor unlösbare Probleme.

Stefan Ulrich

In Triest mussten sich Angela Merkel und Silvio Berlusconi mit einem Thema befassen, das die ganze internationale Rechtsordnung durcheinanderwirbeln kann. Der oberste Gerichtshof in Rom hat gerade entschieden, Opfer von Nazi-Massakern dürften Deutschland vor italienischen Gerichten verklagen.

Zwar folgt aus dem Immunitätsprinzip, dass sich Staaten nicht vor ausländischen Gerichten verantworten müssen. Der Gerichtshof findet aber, dies gelte nicht bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das Völkerrecht regelt eigentlich nur die Beziehungen zwischen Staaten. Um die Menschenrechte zu schützen, wirkt es jedoch auch auf Rechte und Pflichten der Bürger ein. Deshalb müssen sich Staatsverbrecher wie Milosevic vor Welttribunalen verantworten. Die Staatenimmunität schützt sie nicht, die Menschenrechte gehen vor.

Die Richter in Rom übertragen dies nun auf das Schadensersatzrecht: Wenn ein Staat die Menschenrechte verletzt, soll er für die Opfer auch im Ausland geradestehen.

Das klingt konsequent. Nur: Deutschland ist außerstande, die Abermillionen Nazi-Opfer oder deren Angehörige in aller Welt angemessen zu entschädigen. Frankreich und Großbritannien wären damit überfordert, ihre kolonialen Untaten in Euro und Pfund auszugleichen. Auch Italien hat etwa in Nordafrika viel Schuld aufgehäuft. Historisches Unrecht weltweit abzurechnen würde zwar den Opfern gerecht, aber ganze Staaten zusammenbrechen lassen.

Daher unterstützt die Regierung Berlusconi Deutschland im Entschädigungsstreit - gegen die eigenen Gerichte. Rom und Berlin wollen den Internationalen Gerichtshof das letzte Wort sprechen lassen. Sie erwarten, dass er die Staatenimmunität erhält.

© SZ vom 19.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: