NS-Gedenkorte:Gut gemeint, schlecht gelöst

Warum eine Pflicht zum Besuch von KZ-Gedenkstätten kontraproduktiv ist.

Von Kia Vahland

Es ist so eine Sache mit der Pädagogik: Kommt sie als solche daher und will unbedingt belehren, zur Not mit Zwang, dann fühlen die Lernenden sich bevormundet. Das Wort "Verpflichtung" löst bei den meisten ein gesundes Misstrauen aus. So ist es unglücklich, jetzt ausgerechnet mit dieser Vokabel für die Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern zu werben. Zuerst hatte die Berliner SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli gefordert, "jeder, der in diesem Land lebt", solle "verpflichtet" werden, einmal im Leben eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen. "Prinzipiell für gut" hält diese Idee Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Das aber ist eher gut gemeint als gut gelöst. Viele Schulen bieten bereits jetzt Exkursionen zu den NS-Gedenkorten an. Das ist sinnvoll, wenn es vorbereitet ist, wenn es also den Lehrenden bereits gelungen ist, ihre Schüler zu interessieren und zu sensibilisieren. Eine bundesweite Anweisung aber würde eher pubertären Widerstand provozieren als Empathie.

Im Raum steht auch die Forderung, als Maßnahme gegen Antisemitismus Flüchtlinge zum Besuch in Gedenkstätten zu verpflichten. Das klingt, als müssten sie besonders erzogen werden, als wäre Antisemitismus nicht ein gesamtgesellschaftliches und oft auch deutsches Problem. Zur Integration gehört beides: das Gespräch über deutsche Geschichte und die Bereitschaft auf der anderen Seite, sich die Geschichten aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge anzuhören.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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