NPD-Verbotsantrag:Union fordert den Rücktritt Schilys

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Innenminister Otto Schily (SPD) hat im Bundestags-Innenausschusses schwere Fehler seines Hauses in der V-Mann-Affäre eingeräumt, lehnte aber einen Rücktritt ab.

Susanne Höll

(SZ vom 24.1.2002)

Berlin - SPD und Grünen unterstützten den Minister. Alle Parteien wollen trotz der Panne am Verbotsantrag gegen die NPD festhalten. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrmals vergeblich versucht, vom Ministerium wichtige Stellungnahmen zu erhalten, bevor es die Verhandlungstermine über das NPD-Verbot aufhob. Damit droht der Prozess zu platzen.

Trotz aller Empörung über die Panne bei den Verbotsanträgen sieht Schily bei sich selbst kein Verschulden. Er selbst sei erst am Dienstag über den V-Mann informiert worden. Schily räumte in der mehrstündigen Sitzung des Innenausschusses aber Versäumnisse in seinem Ministerium ein, das bereits seit dem 17. Januar unterrichtet ist. Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen hatte das Bundesinnenministerium damals auf Arbeitsebene informiert.

Der Leiter der Verfassungsschutz-Abteilung und Staatssekretär Claus Henning Schapper wussten seitdem von dem V-Mann, gaben diese brisante Information aber nicht weiter. Dafür wurden sie jetzt von Schily scharf gerügt. Über den Hinweis aus NRW vom 17. Januar wurden auch Bayern und Niedersachsen als die fachlichen Länderberater zu dem Verbotsverfahren informiert.

Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, soll die NRW-Mitteilung erst am Wochenende in München eingetroffen sein. Innenminister Günther Beckstein (CSU) wurde erst gestern etwa zeitgleich durch einen Anruf Schilys aus Berlin und von seinen Beamten unterrichtet. Er sei "aus allen Wolken gefallen".

Der CSU-Abgeordnete Wolfgang Zeitelmann sagte der SZ: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ohne Rücktritt Schilys abgeht. Aus so einer brisanten Sache könne man sich nicht herausreden. Der Minister hat sein Haus nicht im Griff." Schily müsse wegen "Schlamperei größten Ausmaßes" seinen Schreibtisch räumen, forderte der CDU-Innenexperte Erwin Marschewski.

Kein Grund für einen Rücktritt sehen SPD und Bundesregierung. Dort hieß es, die Sache sei zwar ärgerlich, aber kein Grund zurückzutreten. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, der Minister habe nicht den geringsten Fehler gemacht. Seine Mitarbeiter hätten die Tragweite der Information aus Nordrhein-Westfalen unterschätzt und seien deswegen gemaßregelt worden. "Köpfe rollen zu lassen" sei aber "primitiv". Auch die Grünen sehen keinen Anlass für einen Rücktritt, da Schily nichts gewusst habe.

Nordhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD), der seit Mitte 2001 von dem V-Mann wusste, will von einem Fehler nichts hören. "Es ist das Selbstverständlichste von der Welt, dass der Verfassungsschutz mit V-Leuten arbeitet", sagte er am Mittwoch.

Sein Sprecher teilte mit, das Bundesamt für Verfassungsschutz sei seit 1996 über die V-Mann-Tätigkeit des NPD-Funktionärs informiert. Experten des Bundes wüssten seit eineinhalb Jahren von dem V-Mann, bei dem es sich um den ehemaligen Vize-Landesvorsitzenden der nordrhein-westfälischen NPD, Wolfgang Frenz, handelt. Frenz war auch Mitglied im NPD-Bundesvorstand.

Er wurde bis 1995 als Verbindungsmann geführt und danach "abgeschaltet". In dem Verfahren zum Verbot der NPD stützen sich Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat in ihren Anträgen auch auf Zitate aus einem 1998 erschienenen Buch des NPD-Funktionärs.

Das Verfassungsgericht hatte vergeblich auf ein wichtiges Schriftstück im Verbotsverfahren gewartet. Das Gericht habe am 17. Januar erfahren, dass eine der von ihm geladenen "Auskunftspersonen" aus den Reihen der NPD als V-Mann des Verfassungsschutzes tätig war, sagte Pressesprecherin Carola von Paczensky.

Der im Zweiten Senat für das Verbotsverfahren zuständige Richter Hans-Joachim Jentsch sei darüber nebenbei während eines Telefongesprächs mit einem Ministerialdirigenten des Innenministeriums informiert worden und habe gebeten, dies schriftlich zu den Gerichtsakten zu geben.

Nachdem über das Wochenende nichts geschehen sei, habe das Gericht im Ministerium nachgefragt und die Auskunft erhalten, man könne über die Information nicht frei verfügen.

Als Grund sei auch Fürsorge für den V-Mann genannt worden. Auf Staatssekretärsebene sei entschieden worden, den Hinweis auf den V-Mann "in abstrakter Form in das Eingangsplädoyer" aufzunehmen. Daraufhin hob der Senat einstimmig die Verhandlungstermine auf. Zur Person des früheren V-Mannes sagte die Sprecherin lediglich, er hätte vom Gericht als Experte für die antisemitische Ausrichtung der NPD befragt werden sollen.

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