Nordrhein-Westfalen:Deutsche Elitepolizisten schulten libysche Truppen

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NRW-Innenminister Wolf zeigt Staatsdiener an: Deutsche SEK-Beamte sollen illegal Sicherheitskräfte in Libyen geschult haben.

Johannes Nitschmann

Nordrhein-westfälische Polizeibeamte sollen illegal Sicherheitskräfte in Libyen bei der Terrorbekämpfung und dem Aufbau von Sondereinheiten geschult haben. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige gegen acht Beamte der Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Bielefeld, Köln und Essen wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen und Verstoßes gegen Geheimhaltungspflichten erstattet.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (Foto: Foto: ddp)

Gemeinsam mit Bundeswehrsoldaten und Mitgliedern des Anti-Terroreinheit GSG 9 sollen die beschuldigten Polizeibeamten im ersten Halbjahr 2006 libysche Sicherheitskräfte ausgebildet haben. Eine private deutsche Sicherheitsfirma, bei der ein ehemaliges GSG-9-Mitglied eine führende Rolle spielen soll, hat die Beamten offenbar für diese illegalen Schulungseinsätze vermittelt.

Die SEK-Beamten sollen laut Strafanzeige die libyschen Sicherheitskräfte in ihrer Freizeit ausgebildet haben. Ihre Schulungstätigkeit im Ausland sei über eine private deutsche Sicherheitsfirma entlohnt worden. In Einzelfällen sollen Polizeibeamte für ihre heikle Libyen-Mission bis zu 15.000 Euro kassiert haben.

Nach den Feststellungen des Düsseldorfer Innenministeriums fehlte es den SEK-Beamten für ihre Ausbildungstätigkeit im Ausland schon formal an einer dafür notwendigen Nebentätigkeitsgenehmigung. Auch Polizeibeamte anderer Bundesländer sowie Mitglieder der Bundeswehr und der GSG 9 sollen in Libyen Sicherheitskräfte geschult haben.

Bereits im Juni 2007 hatte das Düsseldorfer Landeskriminalamt das NRW-Innenministerium wegen der illegalen Libyen-Einsätze von SEK-Polizeibeamten alarmiert. "Wir haben unverzüglich Strafanzeige wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und Verstoßes gegen die Geheimhaltungspflichten gestellt", sagte der Sprecher des NRW-Innenministeriums, Ludger Harmeier, am Donnerstag auf Anfrage der SZ.

Gegen die acht beschuldigten nordrhein-westfälischen Polizeibeamten seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Alle acht Beamten sind nach SZ-Informationen zwischenzeitlich versetzt worden. Auf Anweisung von Innenminister Wolf hat der Düsseldorfer Polizeipräsident, dessen Beamte offenkundig nicht in die Affäre verwickelt sind, zur Aufklärung eine Untersuchungskommission zur Aufklärung der Libyen-Einsätze eingerichtet.

Innenminister Wolf sei über die mangelnde politische Sensibilität der Polizeibeamten entsetzt, hieß es in Düsseldorfer Regierungskreisen. Wolf nannte das Verhalten der Polizisten "völlig inakzeptabel". Die Sprecherin der deutschen Libyen-Koordinationsgruppe von Amnesty International, Anita Hoch, sagte, es wäre schlimm, wenn sich der Verdacht erhärten würde. "Libyen ist noch weit von einem Rechtsstaat entfernt."

Nach dem jüngsten Amnesty-Jahresbericht setzen in Libyen "Beamte mit Polizeibefugnissen in unverhältnismäßiger Weise Gewalt" gegen die Bevölkerung ein. Bei der Auflösung eines Protestmarsches seien im vergangenen Jahr mindestens zwölf Demonstranten getötet worden. Bei einem Gefängnisaufstand sei ein Häftling von Polizisten getötet worden.

"Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit" blieben in dem nordafrikanischen Staat "stark eingeschränkt", heißt es in dem jüngsten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation. Amnesty spricht von "exzessiven Gewalteinsätzen" der libyschen Polizeikräfte, bei denen wiederholt der "unrechtmäßige Einsatz von Schusswaffen angeordnet" worden sei.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sagte, seine Behörde werde sich an diesem Freitag in einer Presseerklärung zu der Strafanzeige des Innenministeriums gegen die SEK-Beamten äußern. Derzeit könne er lediglich bestätigen, dass wegen der Libyeneinsätze gegen einen Polizeibeamten Strafermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen eingeleitet worden seien, sagte Staatsanwalt Mathias Proyer der SZ.

Bundesweit sollen mehr als 30 Polizei-, Bundeswehr- und GSG-9-Beamte auf eigene Kasse Sicherheitsschulungen in Libyen durchgeführt oder organisiert haben. In der Vergangenheit war von ehemaligen Mitgliedern der GSG-9 wiederholt bekannt geworden, dass diese ihr bei der Bundespolizei erworbenes Sicherheits-Know-how international vermarktet hatten. Vom Bundesinnnenministerium und dem Verteidigungsministerium war zu diesen Vorgängen keine Stellungnahme zu erhalten.

© SZ vom 04.04.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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