Nordkorea und USA:Tragisches Ende

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"Der schlimmste Fehler meines Lebens": Nordkoreanische Polizisten führen den US-Studenten Otto Warmbier im März 2016 zur Anklagebank in Pjöngjang. (Foto: Jon Chol Jin/dpa)

Der Tod des US-Studenten Otto Warmbier nach seiner Haft in Nordkorea verschärft den ohnehin schon gefährlichen Konflikt zwischen Washington und Pjöngjang.

Von Sacha Batthyany und Christoph Neidhart, Washington/Tokio

Er wollte nur fünf Tage in Nordkorea bleiben und ein Abenteuer erleben. Doch aus der kurzen Reise wurde eine lange, folgenschwere Haft. Otto Warmbier, Student aus Cincinnati, Ohio, wurde bei seiner geplanten Ausreise am 2. Januar 2016 am Flughafen Pjöngjang festgenommen, weil er in einem Hotel ein politisches Plakat von der Wand genommen und eingepackt hatte. Ein Gericht verurteilte den 22-jährigen US-Bürger im Schnellverfahren zu 15 Jahren Arbeitslager. In einer tränenreichen, choreografierten Pressekonferenz bezeichnete er den Diebstahl als "schlimmsten Fehler meines Lebens".

Diesen Montag ist Warmbier an den Folgen seiner Haft gestorben, nachdem es amerikanischen Diplomaten vor Tagen gelungen war, den Studenten wieder in die USA zurückzuholen. Sein Tod wird den Konflikt zwischen den USA und Nordkorea weiter verschärfen, der schon im April dieses Jahres zusehends eskaliert ist: Nach mehreren nordkoreanischen Raketentests schickten die USA einen Flugzeugträger in die Region, worauf die Regierung Nordkoreas antwortete, man sei "zu jeder Form von Krieg bereit".

US-Präsident Trump sagt mehrdeutig: "Wir werden uns darum kümmern."

Nordkorea sei ein Land, in dem "schreckliche Dinge" passieren, sagte Präsident Donald Trump am Montag und fügte mehrdeutig hinzu: "Wir werden uns darum kümmern." Schon vor Wochen hatte Trump in einem Interview angekündigt, das "Nordkorea-Problem" zu lösen, falls das mit Pjöngjang verbündete China nichts unternehme. Auch Mitglieder des Kongresses verschärften ihren Ton, nachdem sie vom Tod Warmbiers erfahren hatten. Der Reiseveranstalter Young Pioneer Tours, mit dem Warmbier unterwegs war, hat bereits bekannt gegeben, er werde keine Amerikaner mehr nach Nordkorea bringen. Senator John McCain, der in Vietnam 1967 in Kriegsgefangenschaft geriet und gefoltert wurde, sagte, das Regime von Kim Jong-un habe Warmbier "ermordet".

Der Tod des jungen Mannes aus Ohiosoll auch beim "Diplomatie- und Sicherheitsgipfel" zwischen den USA und China zur Sprache kommen: An diesem Mittwoch treffen sich die Außen- und Verteidigungsminister der beiden Länder in Washington. "Der nordkoreanische Diktator tut weiterhin, was er will", sagte Leon Panetta, der ehemalige Verteidigungsminister von Barack Obama, nun müsse die chinesische Regierung "endlich Farbe bekennen". Es sei auch an der Zeit, über sogenannte sekundäre Sanktionen nachzudenken, also Strafen für chinesische Unternehmen, die weiter Geschäfte mit Nordkorea tätigen.

Medienberichten zufolge war der Tod Otto Warmbiers auch in China Gegenstand von Diskussionen. "Wie kann so etwas im Jahr 2017 passieren?", fragten etwa User des Kurznachrichtendienstes Weibo. "Und dies alles nur wegen eines Posters?"

Nach der Verhaftung von Otto Warmbier hatten seine Eltern über ein Jahr nichts mehr von ihm gehört. Erst vorletzte Woche erfuhr der Nordkorea-Beauftragte des US-Außenministeriums, Joseph Yun, dass der Gefangene seit Monaten im Koma liege. Mit einem Gulfstream-Jet wurde er von Pjöngjang nach Cincinnati gebracht. Nach Angaben amerikanischer Ärzte hat Warmbier während seiner 17-monatigen Haft schwere Schädigungen am Gehirn erlitten, die am ehesten Folge von Sauerstoffmangel sein könnten, verursacht etwa durch einen Herzstillstand.

Seit 1996 hat Nordkorea etwa 16 US-Bürger verhaftet, die angeblich gegen Gesetze des Landes verstoßen hatten. Nicht selten Missionare. Vor drei Jahren etwa ließ Jeffrey Fowle eine Bibel in einem Nachtclub von Pjöngjang liegen; die Behörden warfen ihm vor, er sei ein militanter evangelikaler Christ und habe die Bürger gegen die Regierung aufwiegeln wollen. Fowle wurde nach fünf Monaten freigelassen. Doch derzeit warten noch drei Amerikaner in nordkoreanischer Haft auf ihre Prozesse.

Bürger anderer Staaten, die in dem Land verhaftet wurden, werden nach einer gewissen Zeit meist abgeschoben - Amerikaner hingegen gelten als nützliche Geiseln. 2009 löste Bill Clinton zwei US-Journalistinnen aus, Laura Ling und Euna Lee, die 2009 aus China über die Grenze nach Nordkorea eingedrungen sein sollen. Sie wurden zu je zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt. Clintons Stippvisite wurde in Pjöngjang zu Propagandazwecken ausgeschlachtet, zudem missbrauchte die nordkoreanische Regierung die Geiseln, um mit Washington in Kontakt zu treten. Ling und Lee berichteten nach der Freilassung, sie seien an der Grenze geschlagen, später aber anständig behandelt worden. Die Verhältnisse seien ärmlich gewesen, das Essen bescheiden, aber sie mussten nicht wie verurteilte Nordkoreaner ins Arbeitslager, wo Hunger herrscht und gefoltert wird. Ähnlich erging es anderen US-Gefangenen. Einige waren sogar in einem Hotel eingesperrt. Nordkorea hat kein Interesse daran, die Gesundheit der aus seiner Sicht so wertvollen Geiseln zu beeinträchtigen. Nur Warmbiers Fall endete tragisch. Der Student aus Ohio ist der erste Gefangene, der an den Folgen der Haft verstarb.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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