Nigeria:Hunderte Tote bei Unruhen

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Oppositionsgruppen werfen der Regierungspartei in Nigeria Manipulation bei der Regionalwahl vor. Tausende sind auf der Flucht.

Judith Raupp

Die Häuser brennen wieder im Herzen Nigerias. Am Wochenende haben sich Christen und Muslime in der Stadt Jos, 300 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Abuja, bekämpft. Anlass war die Kommunalwahl am vorigen Donnerstag, deren Ergebnis umstritten war. Es soll mehrere hundert Tote gegeben haben.

Ein nigerianischer Soldat auf Patrouille in Jos. (Foto: Foto: Reuters)

Scheich Khalid Abubakar, ein muslimischer Geistlicher, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, seine Helfer hätten 300 Leichen in die Moschee gebracht. Andere Beobachter berichteten von 400 Ermordeten, darunter auch Christen. Die Regierung des Bundesstaates Plateau, dessen Hauptstadt Jos ist, nannte keine offiziellen Zahlen. Nach Angaben des nigerianischen Roten Kreuzes sind zehntausend Menschen aus ihren Häusern geflohen. Sie suchten Schutz in Kirchen, Moscheen, Schulen und Behörden. Auf den Straßen lägen Leichen und es sei zu befürchten, dass Seuchen ausbrechen, berichtete das Rote Kreuz.

Der nigerianische Staatspräsident Umaru Yar‘ Adua schickte umgehend Soldaten nach Jos, wo eine Ausgangssperre verhängt wurde. Trotzdem kam es auch am Sonntag zu vereinzelten Schießereien. Am Samstag hatten die vorwiegend jugendlichen Randalierer Autos, Häuser, Kirchen und Moscheen in Brand gesteckt. Ein Polizeisprecher sagte, es seien mehr als 500 Männer verhaftet worden. Ein Reporter von Radio France International erzählte, jeder, der mit einer Waffe erwischt wurde, sei in Militärbaracken eingesperrt worden.

Die Unruhen vom Wochenende sind die schlimmsten im Bundesstaat Plateau seit 2004. Damals wurden in der Stadt Yelwa mehrere hundert Muslime getötet, worauf der Ausnahmezustand verhängt worden war. In Jos war es bereits 2001 zu Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen gekommen, bei denen zahlreiche Menschen starben. Der Bundesstaat Plateau liegt im Zentrum Nigerias und bildet die Grenze zwischen dem vorwiegend von Muslimen bewohnten Norden und dem Süden, wo vor allem Christen leben. Jeweils die Hälfte der 140 Millionen Nigerianer gehören christlichen Kirchen oder dem Islam an.

In aller Regel leben die Christen und Muslime seit einigen Jahren friedlich miteinander. Allerdings nutzen Scharfmacher auf beiden Seiten Gelegenheiten wie Wahlen, um die Jugendlichen aufeinander zu hetzen. "Einige wenige, unverantwortliche Leute haben die Gewalt in Jos geplant", sagte Yakubu Pam, der Präsident der christlichen Vereinigung Nigerias, der nigerianischen Zeitung Guardian.

Die Kämpfe waren ausgebrochen, nachdem die Wahlkommission mitgeteilt hatte, dass die Regierungspartei Peoples Democratic Party (PDP) 16 der 17 Distrikte gewonnen habe. Die Anhänger der Oppositionspartei All Nigeria People's Party (ANPP) behaupteten daraufhin, die Abstimmung sei manipuliert worden. Die PDP findet vor allem bei den Christen Unterstützung, die ANPP bei den Muslimen.

In Jos geht es allerdings nicht nur um einen religiösen Konflikt. Seit vielen Jahren schwelt dort ein Streit um Besitztümer. Die Christen sehen sich als die Ureinwohner in der Region. Sie befürchten, dass ihnen die Muslime ihren Wohlstand streitig machen könnten. Jos, das mit geschätzten 870000 Einwohnern die elftgrößte Stadt Nigerias ist, lebt vom Zinn-Abbau und der Verhüttungsindustrie.

Außerdem sind dort eine Brauerei und Lebensmittelindustrie angesiedelt. Schon der Biafra-Krieg Ende der sechziger Jahre war nicht nur ein religiöser Konflikt, sondern auch ein Kampf um die Ölfunde. Die vorwiegend von Christen bewohnte Süd-Provinz wollte sich damals abspalten. Die Zentralregierung ließ dies wegen der reichen Ölvorkommen nicht zu. Noch heute kommt es im Nigerdelta ständig zu Unruhen. Denn die Bevölkerung ist wütend, weil viele in Armut leben, während der Staat gut mit dem Ölgeschäft verdient.

© SZ vom 01.12.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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