Nicolas und Cécilia Sarkozy:Ehe es ernst wird

Lesezeit: 9 min

"Cécilia ist meine Stärke", sagt Nicolas Sarkozy über seine Frau, "und meine Achillesferse". Des Öfteren schon sind die Probleme des Präsidentenpaares öffentlich geworden - jetzt scheinen die beiden endgültig auseinanderzudriften.

Gerd Kröncke

Es ist dann wieder kein schöner Abend geworden. Am Nachmittag hatte der Präsident mit halber Aufmerksamkeit das Fußballspiel Frankreich gegen die Färöer verfolgt, das mit einem Sechs-Tore-Sieg eine reine Formsache war, abends hatte Nicolas Sarkozy im Stade de France achtzig Minuten lang mit den Blauen gebangt und musste miterleben, dass sie im Rugby-Halbfinale ehrenvoll und klar gegen die Engländer unterlagen.

Da war sie mal dabei: Monsieur und Madame Sarkozy gemeinsam auf dem Weg zu einem Empfang beim G-8-Gipfel in Heiligendamm letzten Juni. (Foto: Foto: AFP)

Da war er umgeben von vielen Ministern, aber im Grunde doch allein. Wie schon tagsüber, als er in La Lanterne, dem hübschen kleinen Jagdschloss am Rande von Versailles, vorm Bildschirm saß. Cécilia war nicht da, die Frau des Präsidenten geht, wie es scheint, wieder ihre eigenen Wege.

Man hat sie gelegentlich in London gesehen, in Genf und am Freitag sogar in Paris zusammen mit ihrer Tochter auf dem Boulevard Montaigne, einem teuren Pflaster mit exklusiven Boutiquen. Die Weise, wie in der Entourage des Präsidenten in der vergangenen Woche die Gerüchte über eine bevorstehende Scheidung des Paars Sarkozy zurückgewiesen wurden, lässt darauf schließen, dass eine Trennung bevorsteht. Er kommentiere keine Pressegerüchte, sagte der Sprecher des Präsidenten, aber es fand sich niemand, der die Tartaren-Meldungen für absurd erklärte.

Dabei hatte Madame Sarkozy eine Weile eine eminent politische Rolle gespielt. Meist im Hintergrund, aber doch von großem Einfluss. In vorderster Front hatte sie gestanden, als es um die Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft ging. Die Sozialisten in der französischen Nationalversammlung haben einen Parlamentsausschuss durchgesetzt, der Sarkozys Kungelei mit Gaddafi aufhellen soll.

Louis unterm Schreibtisch

Weil es nicht viel gibt, womit die Opposition den Staatschef in Verlegenheit bringen kann, wollte sie stellvertretend für ihn seine Frau vorladen. "Wir werden jeden anhören, den wir hören wollen, ganz nach unserem Ermessen", verspricht der Sozialist Pierre Moscovici. Madame Sarkozy aber, so hat sie wissen lassen, wird nicht erscheinen.

Sarkozy leuchteten die Augen, wann immer er auf die Rolle seiner Frau zu sprechen kam. Überhaupt hat dieser Machtmensch, scheinbar unangreifbar und fast unschlagbar, nur einen schwachen Punkt. Seine Verehrung für seine Frau, soweit sich das aus der Ferne deuten lässt, kennt kein Limit. "Cécilia ist meine Stärke", sagte er, "und meine Achillesferse". Wer ihn wirklich verletzen wollte, müsste sie treffen. Cécilia konnte tun und vor allem lassen, was immer sie wollte. Der Mann Nicolas Sarkozy war auf eine ganz untypische und altmodische Weise stolz auf seine Frau.

Vielleicht liegt dies daran, dass er anfälliger ist als andere, den Macho zu geben, bis ins Klischeehafte. Sein Ausritt in der Camargue auf einem Apfelschimmel während des Wahlkampfs wird spätere Biographien illustrieren. Mag sein, dass er sich selbst als tollen Hecht sieht. Über seine Frau sprach er mit einer fast rührenden Euphorie. Nach der gewonnenen Wahl, auf der Höhe seiner Begeisterung, warf er sich in die Brust: "Wenn ihr Jackie Kennedy geliebt habt, werdet ihr auch Cécilia Sarkozy anbeten."

Manchmal versucht er, sich selbst das Flair eines JFK zuzulegen, aber Jeans und offenes Hemd garantieren noch keine Lässigkeit. Bei einem seiner schon klassischen TV-Auftritte ließen die Sarkozys ihren gemeinsamen Sohn, den kleinen Louis, unter dem Schreibtisch spielen - eine Reminiszenz an John F. Kennedy und dessen Sohn John-John unterm Präsidenten-Desk.

Allein in Bulgarien

Die politische Macht, schrieb die Schriftstellerin Yasmina Reza, sei für ihn eine Flucht vor dem Leben. Cécilia hat lange mitgespielt, aber oft hat sie ihre eigenen Fluchten ausgelebt. Sie hat ihn immer wieder, scheinbar privat und doch öffentlich genug, ihre eigene Unabhängigkeit spüren lassen. Zum Beispiel hat sie ihren Mann nicht zum Präsidenten gewählt. War am entscheidenden Wahltag im Mai einfach nicht zur Urne gegangen. Von Sarkozys erstem G-8-Gipfel ist sie vorzeitig abgereist, auf dem Gruppenbild mit dem Mann der deutschen Bundeskanzlerin fehlte die französische Präsidentengattin.

Sie ist heimgeflogen, weil ihre Tochter Geburtstag hatte. Auch zu George W. Bush hat sie Sarkozy allein ziehen lassen, als sie in Maine in dessen Nähe Urlaub machten. Hatte keine Lust auf Hamburger und Hotdogs und blieb im Ferienquartier. Angeblich wegen einer Halsentzündung, die sie aber nicht hinderte, mit ihrer Freundin Rachida Dati zum Shopping zu gehen.

Politische Aussagen von Madame sind kaum überliefert, und doch war sie bei denen, die in der ersten Reihe der Politik stehen, gefürchtet. Wer bei ihr unten durch war, musste sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen, andererseits konnte Cécilia Sarkozy Karrieren befördern. Neulich, bei dem Trauergottesdienst für den Entertainer Jacques Martin, ihren ersten Mann, den Vater ihrer beiden Töchter, war wieder Rachida Dati an ihrer Seite. Die jüngere Frau, Justizministerin seit vier Monaten, hat ihr geholfen, einen diffizilen Augenblick durchzustehen.

Den TV-Conférencier Jacques Martin, eine Art französischer Kulenkampff, der eine Generation von Fernsehzuschauern jeden Sonntag vor den Bildschirm lockte, hatte die junge Cécilia geliebt. Sie war schon schwanger, als sie ihn im Rathaus von Neuilly heiratete, und der junge Bürgermeister, der die Trauung vollzog, war ausgerechnet Nicolas Sarkozy. Auch seine Frau war schwanger, und so hat sich selten ein Mann in einem unpassenderen Moment verliebt.

Drei Jahre später verließ die junge Cécilia mit ihren winzigen Töchtern ihren Mann, um sich mit dem jungen Monsieur Sarkozy zusammenzutun. Die beiden mussten viele Jahre ohne Trauschein auskommen und als sie, abermals im Rathaus von Neuilly, von Sarkozys Bürgermeister-Stellvertreter getraut wurden, war ihr Trauzeuge der Industrielle Martin Bouygues, einer der reichsten Männer im ganzen Land.

Cécilia Sarkozy, die nächsten Monat fünfzig wird, stammt aus guter Familie spanischer Provenienz, hat eine Schwäche für die Schönen, die Reichen und die Mächtigen. Ihre Freundschaft ist ein Startvorteil. Gewiss hat Rachida Dati, die Aufsteigerin aus der Banlieue, den Präsidenten mit ihrer Kompetenz überzeugt, aber dass die Präsidentengattin sie ins Herz geschlossen hatte, gab den Ausschlag.

Sie "ist mehr als eine Freundin, sie ist meine Schwester", hat Madame öffentlich ihre Zuneigung erklärt. "Ich werde sie nie fallen lassen; sie war mir nahe in allen Phasen meines Lebens." So ernsthaft haben die meisten Menschen nur während ihrer Adoleszenz von einem anderen Menschen geschwärmt. Rachida, hat sie noch hinzugefügt, sei "de la race des seigneurs", was sich nicht ganz so schlimm anhört wie das deutsche Wort von der Herrenrasse.

Hingegen muss einer, den sie nicht ausstehen kann, schon besonders gute Karten haben. Brice Hortefeux, Minister für Immigration, ist der einzige in Sarkozys Ministerriege, den der Chef schon vor seiner Liaison mit Cécilia kannte. Deshalb war ihr Verhältnis mehr als kompliziert. Der getreue Hortefeux wäre erleichtert, wenn Cécilia sich zurückzieht.

Ihre Vorlieben neigen eher den Jüngeren zu, zu ihren Favoriten gehört jener jugendliche Typ, der dem Präsidenten als Sprecher dient. David Martinon, die Stimme des Élysée, wehrt leicht indigniert ab: "Es ist doch keine Schande, mit Cécilia befreundet zu sein."

Sollte es tatsächlich zur Trennung kommen, wird der junge Mann die heikle Aufgabe haben, dieses der Öffentlichkeit mitzuteilen. Über private Angelegenheiten habe er nichts zu sagen und "über diese schon gar nicht", beharrte er vorige Woche. Cécilias Busenfreundin Isabelle Balkany, eine Politikerin aus der zweiten Reihe, war die einzige, die sich zu sagen traute, die beiden hätten ihre Kräche wie alle anderen Eheleute auch, "mehr ist da nicht dran."

Die beiden haben in der Tat ihr volles Maß an troubles hinter sich. Es gab diese Phase, vorvergangenes Jahr, als ihre Trennung schon eingefädelt war. Bei der Vorbereitung für einen Superparteitag ihres Mannes verguckte sich Cécilia ausgerechnet in den Fachmann, der für die Inszenierung zuständig war. Der Parteitag war ein Erfolg, Sarkozy wurde unangefochtener Kandidat seiner Partei, Cécilia aber brannte mit dem Werbestrategen Richard Attias durch, nach New York.

Dass Paris Match ein Bild des Paars aufs Titelblatt setzte, war der Scoop des Sommers und kostete den Chefredakteur den Job, weil der Besitzer der Illustrierten ein Sarko-Freund ist. In einem TV-Interview bekannte der damalige Innenminister Sarkozy: "Die Wahrheit ist ganz einfach, wie Millionen französischer Paare haben wir Schwierigkeiten. Wir sind dabei, sie zu überwinden."

Leichter Hang zum Luxus

Er selber hatte in der Zeit, als Cécilia verschwunden war, Trost bei einer anderen gesucht. Als sie wieder zusammengefunden hatten, zelebrierten die Sarkozys ihre Versöhnung sehr öffentlich. Auf Guyana, in einem Boot auf dem Fluss Maroni, posierten die beiden als glückliches Paar.

Die neuen Trennungsgerüchte kamen auf, als Sarkozy allein nach Bulgarien reiste. Das hat die Bulgaren irritiert, weil Cécilia dort seit der Befreiung der Krankenschwestern eine Nationalheldin ist. Fährt sie nach Libyen, werde das kritisiert, ärgerte sich Sarkozy, fährt sie nicht nach Bulgarien, werde das abermals kritisiert.

Cécilia hat es nie akzeptiert, als Frau des Präsidenten eine traditionelle Rolle zu spielen. Sie macht ihr Angst und vielleicht hält sie sich für eine Fehlbesetzung, obwohl sie doch lange genug Zeit hatte, die Mechanismen der Macht zu erleben. "Ich schaffe das nie", soll sie unter Tränen ein paar Freunden am Wahlabend im Pariser Restaurant Fouquet's gestanden haben. Überhaupt entzog sie sich, wo immer sie konnte, allen halboffiziellen Verpflichtungen.

Allerdings ist die Rolle der Ersten Dame nirgendwo festgeschrieben, doch war es die Regel, dass Präsidentengattinnen eine Aufgabe fanden. Die Spanne reicht von Bernadette Chirac, die versuchte, die Bürger zu überreden, ihr Kleingeld für einen guten Zweck zu spenden, bis hin zu Danielle Mitterrand, die sich in nicht offizieller Mission für die Dritte Welt engagierte.

So selbstvergessen wie Yvonne de Gaulle hat nie wieder eine Präsidentenfrau ausschließlich ihrem Mann gedient. Vielleicht sollte im Rahmen der Reform der Institutionen darüber nachgedacht werden, wie die Rolle der Präsidentenfrau aussehen könnte, sagte der UMP-Parteivorsitzende Patrick Devedjian neulich, "in den Monarchien hat die Gattin des Monarchen einen institutionellen Platz." Als sei Sarkozy ein Napoleon.

Bernadette Chirac hatte ihren Mann einmal gemahnt, dass Napoleons Niedergang mit der Trennung von Josephine begonnen hat. Chirac, dessen Affären nie öffentlich erörtert wurden, hat dies beherzigt und ist nicht ausgebrochen. Eine Scheidung wäre für die sehr katholische Bernadette ohnehin außer Frage gewesen.

In dem Verhältnis zwischen den Sarkozys scheint er der Schwächere zu sein. "Nicolas Sarkozy liebt seine Frau. So einfach ist das", zitierte Libération einen Mitarbeiter. Er war immer stolz auf sie. Aber dass sie nicht in den Élysée einziehen mochte, gab den Vermutungen Auftrieb, dass nicht alles zum Besten stand. Zuletzt waren sie gemeinsam am 14. Juli aufgetreten. Auf dem Gartenfest zum Nationalfeiertag geriet der Staatschef öffentlich ins Träumen, als er seine Frau und ihre Tochter beieinander sah.

Vor fünftausend Gästen sprach er ins Mikrophon: "Ich möchte Cécilia und Judith sagen, wie schön sie beide sind." Der Präsident himmelte sie an, wenn sie, ihn überragend, ihm zur Seite stand. Später, abseits des Mikrophons, sinnierte er in kleinerer Runde: "Im Grunde ist Cécilia meine einzige Sorge."

Sie ließ sich nie einbinden. Alles, was einen offiziellen Anstrich hat, ist ihr zuwider. Und vor der Presse hat sie, wie Sarkozy einmal sagte, "eine Heidenangst". Wenn sie sie nicht kontrollieren kann, müsste man dazu sagen. Die bunten Blätter lieben sie.

Angeblich verbringt sie viel Zeit damit, all den Menschen zu antworten, die ihr schreiben; sie bekommt Hunderte Briefe. Aber sie äußert sich kaum öffentlich. Es mochte so scheinen, als hätte sie die perfekte Balance gefunden, sich rar zu machen und doch im Gespräch zu bleiben. Einmal hat sie der Provinzzeitung Est Républicain doch ein Interview gegeben, weil dessen Chefredakteur ihr in einem noblen Hotel über den Weg gelaufen war.

Er hatte eine Verabredung mit Rachida Dati, und Madame und die Ministerin hatten gerade einen Plausch gehabt. Weil Madame Sarkozy beklagte, dass so viel Falsches über ihre Mission in Libyen geschrieben wurde, bot der Journalist an, hier und jetzt ihre eigene Version zu erzählen. Er hatte nicht einmal ein Tonband dabei. "Mein ganzes Leben lang habe ich Menschen in ihrem Leid geholfen", sagte ihm Cécilia, und niemand werde sie je davon abhalten, "das Leid der Welt zu lindern, in welchem Land auch immer".

Da wirkt sie weniger wie Jackie Kennedy, für die ihr Mann sie hält, sondern erinnert eher an Prinzessin Diana. Hätte es je eine reale Chance gegeben, Cécilia Sarkozy wäre im Auftrag des Präsidenten nach Kolumbien geflogen, um die seit mehr als fünf Jahren von Rebellen gefangen gehaltene Ingrid Betancourt heimzuholen.

Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Neuerdings wurde sie wieder öfter in London gesehen, vor allem aber in Genf, wo sie im Hotel Beau-Rivage absteigt. Den Schweizer Behörden ist das etwas peinlich, weil es eigentlich üblich ist, dass sie über diplomatische Kanäle informiert werden. Dann können sie einer VIP diskreten Schutz gewähren.

Dass sie - wie Diana und Jackie Kennedy - zur Ikone wird, ist nun unwahrscheinlich, es sei denn, es stellte sich heraus, dass sie Glamour hat und nicht nur Prada trägt. Jedenfalls hatte bislang keine Frau eines französischen Präsidenten so sehr das Flair der Geheimnisvollen gepflegt. In ihrer Jugend, als Studentin, hat sie als Model posiert, heute könnte sie selbst Mode machen, wenn sie es darauf anlegte. Cécilia hat einen eigenen Stil entwickelt, aber ihren Hang zum Luxus kann sie nicht überspielen.

Das Hotel Bristol in Paris, in dem sie ihre Freunde zum Tee trifft, ist in derselben Liga wie das Ritz, in dem Diana zuletzt wohnte. Wie Diana hätte sie sich gern als Helferin der Menschheit in Szene gesetzt. Diana ließ sich mit Landminenopfern fotografieren, Cécilia mit den bulgarischen Krankenschwestern. Dass ihre Rolle von einem Ausschuss neidsüchtiger Abgeordneter auseinandergefieselt werden soll, das sieht sie nicht ein. Der Präsident wird es zu verhindern wissen. Er wird, was immer sie macht, die Hand über sie halten.

© SZ vom 15.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: