NGO-Gesetz:"Zu viel Kreml, zu wenig Israel"

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Kritiker sind entsetzt über das neue NGO-Gesetz, das die Knesset verabschiedet. Vor allem liberalen Gruppierungen erschwert es die Arbeit.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Regierung erhöht den Druck auf kritische Menschenrechtsgruppen. Nach hitziger Debatte und internationalen Protesten zum Trotz verabschiedete das Parlament ein sogenanntes Transparenzgesetz, das eine verschärfte Meldepflicht für Spenden aus dem Ausland vorsieht. So ist künftig jede Nichtregierungsorganisation (NGO), die mehr als die Hälfte ihres Geldes von ausländischen Regierungen bekommt, verpflichtet, dies bei allen öffentlichen Aktivitäten auszuweisen. Andernfalls sieht das Gesetz Strafzahlungen von umgerechnet 7000 Euro vor.

In der Praxis trifft das von der rechten Justizministerin Ayelet Schaked vorgelegte Gesetz fast nur liberale Gruppierungen, die sich zum Beispiel, unterstützt von der EU oder den deutschen Stiftungen, um den Friedensprozess oder die Einhaltung von Bürgerrechten kümmern. Das Justizministerium identifizierte 27 betroffene Organisationen, von denen 25 dem linken Spektrum zugerechnet werden. Im Gegensatz dazu erhalten rechte Gruppierungen oder Siedlerorganisationen in der Regel private Spenden. Transparenz in diesem Sektor wird vom neuen Gesetz ausgespart.

Die israelische Organisation "Peace Now" will das neue Gesetz vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem anfechten. (Foto: Baz Ratner/Reuters)

"Andere Länder sollten versuchen, Israel auf diplomatischem Weg zu beeinflussen und nicht durch Millionen-Euro-Spenden an NGOs, die dann ihre Ansichten vertreten", argumentierte die Justizministerin in der Knesset, bevor das Gesetz mit 57 zu 48 Stimmen angenommen wurde. Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte auf Facebook, dass das Gesetz "Israels Demokratie stärken" werde und "die absurde Situation beendet, dass sich ausländische Staaten in die inneren israelischen Angelegenheiten einmischen, ohne dass dies für die Öffentlichkeit erkennbar ist."

In Wahrheit allerdings hatten die NGOs bereits vor dem neuen Gesetz ihre ausländischen Spender jährlich melden müssen. Die nun verlangte Erwähnung bei jeder Veröffentlichung oder bei öffentlichen Auftritten sorgt jedoch für eine zusätzliche Stigmatisierung als vermeintlich ferngesteuerte Interessensverwalter. Das passt ins Bild einer seit Längerem von der Regierung unterstützen Kampagne, kritische Organisationen als "Verräter" zu brandmarken.

Im Laufe der Beratungen war das Gesetz allerdings mehrfach abgeschwächt worden. Zu Beginn war noch erwogen worden, die ausländischen Regierungsspenden extrem hoch zu besteuern, was einer finanziellen Austrocknung der Kritiker gleichgekommen wäre. Überdies sollten die so finanzierten Gruppierungen als "ausländische Agenten" bezeichnet und gezwungen werden, bei Auftritten in der Knesset Plaketten zu tragen, die auf ihre Geldgeber verweisen sollten. Die nun verabschiedete Regelung gilt auch nicht mehr, wie zunächst geplant, rückwirkend, sondern vom 1. Januar 2017 an.

Oppositionsführer Isaak Herzog von der Zionistischen Union nannte das Gesetz ei-nen "Schandfleck für die Knesset". Es ver-weise "mehr als alles andere auf den auf-keimenden Faschismus in der israelischen Gesellschaft". Heftige Kritik kam auch von einem EU-Sprecher, der von der Zeitung Haaretz mit der Warnung zitiert wird, dieses Gesetz gefährde Israels demokratisches Fundament und die mit Europa geteilten Werte. Verstört zeigen sich überdies auch ausgesprochene Israel-Freunde wie der Grünen-Politiker Volker Beck, der "zu viel Kreml, zu wenig Israel" im Vorgehen der Regierung erkennt. Beck hatte zuvor bereits zusammen mit anderen Abgeordneten der "Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe" einen Protestbrief an Netanjahu geschrieben, in dem er das Gesetz als "massiven Angriff auf die Meinungsfreiheit" geißelte. "Ernster Schaden für die israelische Demokratie und für das Ansehen des jüdischen und demokratischen Staates Israel" sei zu befürchten.

Am Ende zeigte sich die Regierungsmehrheit unbeeindruckt von all den Warnungen und der Kritik. Nun will die weltweit bekannte Organisation "Peace Now" das Gesetz vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem anfechten.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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