Neues Unterhaltsrecht:Kinder an erster Stelle

Lesezeit: 2 min

Das neue Unterhaltsrecht markiert einen historischen Wandel. Von der Regelung sollen vor allem die Kinder profitieren - der rechtliche Schutz der Ehe schwindet hingegen.

Heribert Prantl

Wer schon immer wissen wollte, was ein Paradigmenwechsel ist - hier ist einer: Der rechtliche Schutz der Ehe schwindet. Das neue Recht schaut nicht mehr auf die Ehe, es schaut auf die Kinder und die Familie. Und Familie ist für das neue Recht dort, wo Kinder großgezogen werden.

Das neue Unterhaltsrecht markiert also einen historischen Wandel. Dreh- und Angelpunkt für Unterhaltsansprüche ist künftig das Kind, nicht mehr die Ehe; die Ehefixiertheit des Familienrechts ist damit zu Ende; das Familienrecht ist jetzt kinderzentriert - und das neue Unterhaltsrecht ist dafür das große Exempel: Es stellt die Unterhaltsansprüche geschiedener Ehefrauen zurück und stellt die Unterhaltsansprüche der Kinder in den Vordergrund.

Ehelichen Kindern steht nicht mehr Betreuung zu wie nichtehelichen

Und es ist vorbei mit den bisherigen Regelungen, welche die Ehelichkeit von Kindern prämiert haben. Einem ehelichen Kind steht künftig nicht mehr persönliche Betreuung zu als dem nichtehelichen.

Bisher war es so, dass die Mutter eines nichtehelichen Kindes spätestens drei Jahre nach der Geburt wieder arbeiten musste; die Mutter eines ehelichen Kindes aber erst nach acht oder gar erst nach 16 Jahren. Jetzt ist der Anspruch wegen Kinderbetreuung für alle gleich.

Und das ist sehr richtig: Denn der Betreuungsunterhalt ist nicht dafür da, dem betreuenden Elternteil etwas Gutes zu tun, sondern dem Kind. Wie viel an persönlicher Betreuung ein Kind bedarf, richtet sich nicht danach, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist.

Das neue Recht stellt geschiedene Ehefrauen im Rang schlechter als bisher. Wenn die Ehe nicht von langer Dauer war, ist es künftig sogar so, dass die geschiedene Frau bei der Verteilung des Geldes nach einer Scheidung hinter der Mutter eines Kindes ihres geschiedenen Mannes rangiert.

Das demonstriert, wie der Anknüpfungspunkt "Ehe" im Recht seine Kraft verliert. Er verliert sie nicht deshalb, weil der Gesetzgeber ein Feind der Ehe ist, sondern weil die Ehe auch im Leben ihre alte Bedeutung verloren hat: "Historisch war", so sagt es der Familienrechtler und Rechtsgeschichtler Dieter Schwab, "die legitime Kindererzeugung eine Sache der Ehe. In dem Augenblick, in dem die Gesellschaft frei ist, kann man auch das ehezentrierte Familienrecht nicht mehr aufrechterhalten".

Reaktion auf hohe Scheidungsraten

Die neuen Regeln reagieren auf hohe Scheidungsraten und immer kürzere Ehezeiten, die das Vertrauen in die Ehe als eine dauerhafte Versorgungseinrichtung nicht mehr stützen. Das Leitbild der Hausfrauenehe, das der Scheidungsreform von 1977 und dem bisherigen Unterhaltsrecht zugrunde lag, ist de facto längst Vergangenheit; nun also auch de jure.

Sozial verträglich ist die ganze Reform aber nur dann, wenn es erschwingliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt. Das neue Unterhaltsrecht führt nämlich dazu, dass künftig viel mehr geschiedene und alleinerziehende Frauen als heute den Spagat zwischen Beruf und Kindern bewerkstelligen müssen.

© SZ vom 6.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: