Neues Gesetz:Weniger Sozialhilfe für Ausländer

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Bundessozialministerin Andrea Nahles. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

EU-Bürger ohne Job sollen erst nach fünf Jahren Geld bekommen. Demnächst wird sich auch das Verfassungsgericht mit dem Thema beschäftigen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Monatelang passierte gar nichts, jetzt soll es auf einmal ganz schnell gehen: Die Bundesregierung macht mit ihrem Vorhaben ernst, den Sozialhilfeanspruch von Ausländern aus der Europäischen Union (EU) drastisch einzuschränken. Künftig sollen aus der EU kommende Bürger in Deutschland frühestens nach fünf Jahren Hartz IV oder Sozialhilfe erhalten können, wenn sie hier nicht arbeiten oder Ansprüche auf Sozialleistungen erworben haben. Darauf hat sich die Koalition geeinigt.

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte schon Ende vergangenen Jahres angekündigt, eine solche Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem unterbinden zu wollen; sie legte einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) pochte jedoch darauf, die Paragrafen aus dem Arbeitsministerium zu verschärfen. Deshalb dauerte es so lange, das neue Gesetz auf den Weg zu bringen. Nun kündigte eine Sprecherin von Nahles an: Das Kabinett werde das neue Gesetz zügig beschließen. Womöglich schon in der kommenden Woche.

Mit dem Vorhaben will die SPD-Politikerin ein Schlupfloch schließen, das durch ein Urteil des Bundessozialgerichts entstanden war. Das oberste Sozialgericht hatte in einem spektakulären Urteil EU-Ausländern vom sechsten Monat ihres Aufenthalts an einen Anspruch auf Sozialhilfe gewährt. Wer mindestens sechs Monate hier legal gelebt habe, habe einen "verfestigten Aufenthalt". Deshalb hätten diese Menschen Anspruch auf das Existenzminimum und damit zumindest auf Hilfe zum Lebensunterhalt, argumentierten die Richter. Diese Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch XII zahlt nicht der Bund, wie dies bei der staatlichen Grundsicherung (Hartz IV) der Fall ist, vielmehr müssen die Städte und Landkreise dafür aufkommen.

Geklagt hatte eine rumänische Familie, die 2008 nach Deutschland gezogen war. Der Familienvater, ein gelernter Schlosser, hatte mehrmals vergeblich versucht, einen Job zu bekommen.

Nahles hatte stets betont, dass diese vom Bundessozialgericht aufgestoßene Lücke nur sehr wenige Menschen nutzen könnten, sie diese aber schnell schließen wolle. Schließlich waren die Kommunen gegen das Grundsatzurteil Sturm gelaufen. Der Deutsche Landkreistag errechnete für die Kommunen sogar Mehrkosten von 800 Millionen Euro. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortete die Pläne ihrer Arbeitsministerin.

Das Bundessozialgericht hatte die in dieser Frage eher restriktive Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterlaufen. Der EuGH entschied noch im September 2015: Nur wer mehr als ein Jahr gearbeitet hat, habe einen dauerhaften Anspruch auf Hilfeleistungen nach deutschem Recht.

Im Februar 2016 versagte das Luxemburger Gericht ebenfalls einem Mann aus Spanien Leistungen aus Hartz IV, die er für die ersten drei Monate seines Aufenthalts beantragt hatte. Der EuGH berief sich dabei auf die Unionsbürgerrichtlinie. Danach haben EU-Bürger für drei Monate ein Aufenthaltsrecht, ohne einen Nachweis erbringen zu müssen, dass sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können oder im Krankheitsfall abgesichert sind. Es sei deshalb legitim, ihnen jegliche Sozialleistungen zu verweigern, um die Sozialsysteme nicht aus dem finanziellen Gleichgewicht zu bringen.

Trotz des neuen Gesetzes könnte das Thema "staatliche Hilfe für EU-Ausländer" aber noch nicht abgeschlossen sein. Das Sozialgericht Mainz hält es für verfassungswidrig, dass Ausländer, die allein zur Arbeitssuche in Deutschland sind, von den Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Dies verstoße gegen das Grundrecht, jedem Menschen ein Existenzminimum zu gewährleisten, so die Mainzer Richter. Sie haben deshalb das Bundesverfassungsgericht angerufen. Folgen die Karlsruher Verfassungshüter der Mainzer Vorlage, hätte die Regierung womöglich ein neues Problem. Dann wäre das neue Gesetz wahrscheinlich nichtig.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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