Neues Erbgesetz:Pflegen, sterben, erben

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Bislang hat sich die häusliche Pflege von alten Menschen kaum auf die Verteilung ihres Erbes ausgewirkt. Ein neues Erbgesetz soll das nun ändern.

Heribert Prantl

In den Zeiten der Erbfolgekriege, in einer nach heutigen Maßstäben unvorstellbar armen Gesellschaft, konnte nur eine dünne Oberschicht den Nachkommen mehr vermachen als ein paar Töpfe. Heute ist das anders. Die Erbfolgekriege heute finden vor Notaren und Landgerichten statt; gemein und bitter sind sie auch.

Wer einen Verstorbenen bis zu seinem Tod gepflegt hat, soll künftig mehr erhalten. (Foto: Foto: dpa)

Am gemeinsten und bittersten sind sie dann, wenn die Personen, die den Verstorbenen jahrelang gepflegt haben, bei der Verteilung des Erbes schlecht dastehen - wenn also Pflegeleistungen nicht oder nur unzulänglich berücksichtigt werden. Eigentlich sollte das Erbrecht in solchen Fällen für Frieden und Gerechtigkeit sorgen.

Aber die gesetzliche Lage ist derzeit bescheiden. Zwar brauchen immer mehr alte Menschen Pflege, zwar wäre ohne häusliche Fürsorge das Pflegesystem schon zusammengebrochen. Aber das geltende Erbrecht nimmt darauf keine Rücksicht. Eine "Ausgleichung" gibt es nach geltendem Gesetz nur, wenn die Pflege von "Abkömmlingen" geleistet wurde - und auch nur dann, wenn sie "unter Verzicht auf berufliches Einkommen während längerer Zeit" gepflegt haben.

Besser Honorierung der Pflege

Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung will diese Rechtslage verändern und mit den Mitteln des Erbrechts eine bessere Honorierung der Pflege des Erblassers erreichen: Die Pflegeperson soll künftig Geld aus der Erbmasse auch dann erhalten, wenn sie neben der Pflege berufstätig war. Und Geld soll nicht mehr nur Kindern, sondern jedem gesetzlichen Erben zustehen, der den Verstorbenen längere Zeit gepflegt hat. Die Höhe orientiert sich an den Beträgen, die hauptberufliche Pflegekräfte erhalten hätten. Man sieht: Die Reform geht von einer sehr stattlichen Erbmasse aus.

Das Anliegen des Reformvorschlags findet weithin Zustimmung, die Umsetzung nicht. Die Fachwelt übt Kritik. Sie moniert, dass der Kreis der Ausgleichsberechtigten zu eng sei. Was ist, wenn die Pflegeperson nicht zu den gesetzlichen Erben zählt? Was also, wenn der Erblasser nach der Trennung oder Scheidung des Sohnes von dessen Ex-Ehefrau gepflegt wird?

"Gesetzliches Vermächtnis schaffen"

Solche Fälle sind nach den Erkenntnissen des Bielefelder Professors Gerhard Otte, einem führenden deutschen Erbrechtler, nicht selten. Und was ist, wenn nichteheliche Lebensgefährten, Freunde oder Nachbarn den Verstorbenen jahrelang gepflegt haben? Sie alle zählen nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben, erhalten also nach dem Reformgesetz nichts. Diese Ungleichbehandlung sei, so meint Otte, "rechtsethisch nicht begründbar".

Er schlägt daher vor, ein "gesetzliches Vermächtnis" zugunsten aller Pflegepersonen zu schaffen: Sie alle haben dann Anspruch auf Geld aus der Erbmasse. Allerdings sollte die Honorierung, das ist der zweite Kritikpunkt, niedriger sein - sich also nicht an der Entlohnung hauptberuflicher Pflegekräfte orientieren, die ja Lohnsteuer und Sozialabgaben zahlen müssen. Otte schlägt die Hälfte dieses Betrages vor.

Seine Vermächtnislösung greift freilich in die Testierfreiheit ein. Ist das bedenklich? Wohl nicht, weil es um Fälle geht, in denen die Pflegeperson noch kein Entgelt erhalten hat - es wurde versäumt, Pflegegeld zu beantragen oder dieses nicht an die Pflegeperson weitergegeben. Ein Wille des begüterten Erblassers, Pflege umsonst zu bekommen, ist aber nicht besonders schutzwürdig. Der Bundestag wird im Herbst über die Reform entscheiden.

© SZ vom 22.08.2008/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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