Neuer Wirtschaftsminister Guttenberg:Der Staat als Beute der Parteien

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Die Berufung Guttenbergs als Wirtschaftsminister zeigt, dass in der CSU innerparteilicher Proporz vor fachlicher Eignung kommt.

Ralf Fücks

Jetzt haben wir also einen neuen Wirtschaftsminister. Karl-Theodor zu Guttenberg war - vor seinem kurzen Gastspiel als CSU-Generalsekretär - ein talentierter Außenpolitiker mit einer klaren transatlantischen Orientierung.

Die Berufung Karl-Theodor zu Guttenbergs zum Bundeswirtschaftsminister stößt nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. (Foto: Foto: Getty Images)

Ist er aber das Schwergewicht, das die viertgrößte Industrienation inmitten einer dramatischen Krise an der Spitze des Wirtschaftsressorts braucht? Auch ein Ludwig Erhard oder Karl Schiller könnten jetzt keine Wunder vollbringen. Aber konzeptionelle Kompetenz, wirtschaftspolitische Erfahrung und ein paar überstandene Stürme wären schon von Vorteil, um der galoppierenden Verunsicherung aus der Regierung heraus entgegenzuwirken.

Gibt es solche Figuren nicht? Es gibt sie wohl, aber leider entsprechen sie nicht den Kriterien, die bei dieser Personalentscheidung den Ausschlag gaben. Glos' Nachfolger sollte erstens aus der CSU-Bundestagsfraktion kommen, zweitens dem CSU-Bezirk Oberfranken angehören (weil Landwirtschaftsministerin Aigner aus Oberbayern kommt) und außerdem ein loyaler Seehofer-Mann sein. Innerparteilicher Proporz vor fachlicher Eignung und persönlicher Autorität.

Während Barack Obama in Washington die besten Köpfe des Landes um sich versammelt, bekommen wir hier parteipolitisches Klein-Klein serviert. Quereinsteiger aus Wissenschaft, Wirtschaft oder öffentlicher Verwaltung sind unerwünscht. Das Wirtschaftsministerium ist in dieser Legislaturperiode die Beute der CSU. Und über deren Verteilung entscheidet das innerparteiliche Ränkespiel. Basta!

Die Nachfolgeregelung knüpft nahtlos an das politische Trauerspiel an, das schon den Rücktritt des bisherigen Amtsverwesers begleitete. Es war ein glatter Verfassungsverstoß, dass Minister Glos sein Rücktrittsgesuch nicht bei der Kanzlerin, sondern bei seinem Parteivorsitzenden einreichte. Und es spricht Bände für die Verluderung der politischen Sitten, dass sich darüber kaum jemand öffentlich aufregte - man ist schon daran gewöhnt, dass die Parteien über der Verfassung stehen und nach Belieben in Entscheidungen hineinregieren, die eigentlich Sache des Parlaments, der Regierung und - in diesem Fall - der Kanzlerin sind.

Was sich an diesem Wochenende abspielte, war eine unverfrorene Demonstration, wie weit der Staat schon zur Beute der Parteien geworden ist - und wie wenig ein Ministeramt inzwischen gilt. Kein Wunder, dass die Autorität dieser Regierung gegen Null sinkt. Das könnte man achselzuckend abtun, wenn wir nicht gerade in einer Lage wären, in der Kompetenz und Führungskraft mehr denn je gefragt sind.

Ralf Fücks ist Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung

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