Neonazis:Eine Stadt macht mobil

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1000 rechtsextreme Festivalbesucher werden am Geburtstag Adolf Hitlers im sächsischen Ostritz erwartet. Die Zusammenkunft wurde angemeldet und genehmigt, aber die Anwohner reagieren kreativ - mit Gegenveranstaltungen.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Die Warnung ist unmissverständlich: "Hier entscheidet sich die Zukunft des Rechtsextremismus in Sachsen - vielleicht auch bundesweit", sagte Henry Krentz vom sächsischen Verfassungsschutz. Hier, das ist Ostritz - eine Kleinstadt in Ostsachsen mit mehr als 2600 Einwohnern. Neonazis aus Deutschland, Polen und Tschechien feiern dort vom 20. bis 22. April den Geburtstag Adolf Hitlers. 1000 Teilnehmer werden zu dem "Schild und Schwert"-Festival erwartet, das die gesamte Bandbreite rechtsextremer Subkultur abdecken soll. So treten nicht nur bekannte rechtsextreme Bands auf, der Veranstalter und stellvertretende NPD-Vorsitzende Thorsten Heise hat auch die unter rechtsextremen Hooligans beliebte Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" nach Ostritz bestellt. Zusätzlich wird es eine Tattoo-Messe geben sowie zahlreiche Verkaufsstände für Szeneartikel.

Das Festival, das auf dem Gelände eines Hotels stattfindet, wurde als politische Versammlung angemeldet und als solche auch genehmigt. Das machte ein von vielen Ostritzern verlangtes Verbot schwierig. Tatsächlich werden bei der Veranstaltung auch zahlreiche politische Redner auftreten, etwa der NPD-Politiker Udo Voigt.

40 Bürgermeister aus der Region haben sich vorab in einer Erklärung gegen die rechtsextreme Zusammenkunft ausgesprochen. Sie alle befürchten, ihre Heimat könne zu einem regelmäßigen Treffpunkt großer Neonazigruppen werden. Die Angst ist nicht ganz unberechtigt. Das "Schild und Schwert"-Festival ist der bisherige Höhepunkt eines Trends, der sich in der rechtsextremen Szene abzeichnet. Waren Neonazi-Konzerte früher vor allem konspirative Veranstaltungen, so werden einige heute zu Megaevents aufgeblasen und öffentlich breit beworben. Das bringt der Szene Aufmerksamkeit - und Geld. Mit den Eintrittsgeldern und dem Artikelverkauf werden neue Veranstaltungen finanziert oder der Kauf von Immobilien unterstützt.

Konzerte und ein Friedensfest auf dem Marktplatz: Die Leute in Ostritz halten dagegen

Im vergangenen Jahr fanden solche Großveranstaltungen vor allem im thüringischen Themar statt. Dort organisierte ein ortsansässiger Neonazi im Juli 2017 das größte Neonazi-Konzert Deutschlands mit 6000 Besuchern. Zwei weitere Festivals folgten. Auch 2018 kommt der Ort nicht zur Ruhe. Die NPD lädt zu einem eigenen Festival Anfang Juni ein. Der Landkreis hat es verboten, er begründete dies mit dem Naturschutz. Die Veranstalter haben gegen diese Entscheidung geklagt, eine finale Entscheidung steht noch aus.

Der Name Themar fiel im Vorfeld des Ostritzer "Schild und Schwert"-Events sehr häufig. Die Bewohner befürchten ähnliche Zustände. Seit Monaten bereiten sie sich akribisch auf die Veranstaltung vor. Die Stadt holte sich Berater von außen, die dabei halfen, die Ängste und Wünsche der Bewohner zu ordnen. Auch die Polizei war von Anfang an involviert. Sie sprach sogar mit den örtlichen Bäckern über einen möglichen Umsatzverlust wegen der Straßensperrungen. Der Verfassungsschutz bemühte sich, Ängste vor randalierenden linken Gegendemonstranten auszuräumen. Auf dem Marktplatz wird es ein großes Friedensfest mit Konzerten geben. Schirmherr ist der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Hinzu kommt eine weitere, von diversen Bündnissen organisierte Gegenveranstaltung. Wenn alles gut geht, könnte das Engagement der Ostritzer zum Vorbild für andere Orte werden.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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