Neonazi-Skandal bei der Frankfurter Polizei:"Mit der Geheimniskrämerei muss Schluss sein"

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Der Zentralrat der Juden erhebt schwere Vorwürfe gegen Hessens Innenminister und die Frankfurter Polizei: Der Fall der drei rechtsextremen Personenschützer von Michel Friedman würde verschleiert. Nun beschäftigt der Skandal auch den hessischen Landtag.

Vertreter der Oppositionsparteien im hessischen Landtag fordern eine umfassende Information des Parlaments. Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn sagte, neben Innenminister Volker Bouffier (CDU) müsse auch Justizminister Jürgen Banzer (CDU) in der kommenden Woche zu dem Skandal Stellung nehmen. Nach der Einstellung der ersten Ermittlungsverfahren gegen die Verdächtigten hätte der Innenminister das Parlament informieren können: "Mit dieser Geheimniskrämerei muss nun Schluss sein."

Gerät in Bedrängnis: Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) (Foto: Foto: dpa)

Auch der Zentralrat der Juden erhob zuvor schwere Vorwürfe gegen Bouffiers Ministerium und die Frankfurter Polizei. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, sagte der Passauer Neuen Presse: "Es ist ein Skandal, dass hier keine Konsequenzen gezogen werden und die Sache unter den Teppich gekehrt wird." Er verlangte weitreichende Konsequenzen wie den Ausschluss der drei betroffenen Beamten aus dem Polizeidienst. "So jemand hat bei der Polizei nichts zu suchen", sagte Kramer. Die Behörden seien aber einfach zur Normalität übergegangen.

"Ein ungeheuerlicher Vorwurf steht im Raum"

Innenminister Bouffier informierte am Donnerstagmorgen die Obleute der Fraktionen im Innenausschuss über den Fall. Das Ministerium betonte dazu, die Polizei habe den Fall selbst aufgedeckt. Es gebe derzeit keine Hinweise, dass eine größere Gruppe von Beamten davon gewusst habe.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Frömmrich, sagte, sowohl bei der Führung der Frankfurter Polizei als auch der hessischen Polizei liege etwas im Argen. FDP-Chef Hahn sagte, es stehe der ungeheuerliche Vorwurf im Raum, dass es bei der Frankfurter Polizei Seilschaften gebe, die rechtsradikale Umtriebe erst ermöglicht hätten. SPD und Grüne legten einen Fragenkatalog zum Neonaziskandal vor, den die Landesregierung in der nächsten Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch kommender Woche beantworten soll.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat in den vergangenen Monaten gegen drei Polizisten ermittelt, die unter anderem als Personenschützer für den früheren Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, eingesetzt waren.

Urkunde "im Namen des Führers"

Die Verfahren gegen zwei Polizisten im Alter von 26 und 32 Jahren wurden inzwischen eingestellt - unter anderem wegen "geringer Schuld". Laut Staatsanwaltschaft posierte der 26-Jährige auf einem Foto in einer SS-Uniform. Derzeit läuft noch ein Verfahren gegen einen 43-jährigen Beamten, auf dessen Computerfestplatte das Horst-Wessel-Lied gefunden wurde.

Nach Erkenntnissen der Ermittler überreichte der 26-Jährige an einen Kollegen auch eine Art Glückwunschkarte "im Namen des Führers". Mit dieser sollten besondere Dienste bei der "Standarte M. F." (die Initialen von Michel Friedman) "ausgezeichnet" werden. Einer Urkunde aus dem Dritten Reich mit Hakenkreuz sehe die Karte zum Verwechseln ähnlich.

Der selbe Beamte ist auf dem Foto mit der SS-Uniform zu sehen. Weil er das belastende Material aber nur "im privaten Personenkreis auf der Dienststelle" gezeigt haben soll, muss er mit keinen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Bei einer Durchsuchung bei dem 32-jährigen Beamten fanden die Behörden sieben Musikdateien mit rechtsradikaler Musik, unter anderem von der verbotenen Band "Landser". Dem hessischen Innenministerium zufolge sind die Beamten inzwischen versetzt oder suspendiert worden, zudem erhielt die Einheit des Frankfurter Polizeipräsidiums einen neuen Leiter.

Details des Skandals kamen ans Licht, als vor knapp zwei Jahren Vorwürfe laut wurden, die Beamten hätten Reisekosten nicht ordnungsgemäß abgerechnet. Das eingeschaltete LKA weitete die Ermittlungen bald aus. In einem Fall ging es auch um Verrat von Dienstgeheimnissen.

Friedman selbst zeigte sich empört über die zögerlichen Ermittlungen und deren Ergebnisse.

© suedeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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