Nebeneinkünfte von Abgeordneten:Das Schweigen des Otto S.

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Dem ehemaligen Innen- und Verfassungsminister Otto Schily drohen bis zu 44.000 Euro Strafe, sollte er weiter über seine Nebeneinkünfte als Anwalt schweigen. Genau das aber hält er für seine oberste Pflicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Rechtsanwalt, Berlin. Mehr steht da nicht über die anwaltlichen Tätigkeiten des Abgeordneten Otto Schily (SPD) unter den veröffentlichungspflichtigen Angaben auf www.bundestag.de. Nach Recht und Gesetz müsste da mehr stehen. Zumindest ein Mandat müsste aufgeführt sein, das der Spiegel im vergangenen Sommer publik gemacht hat.

Anwalt Schily oder Abgeordneter Schily? Wenn der Ex-Innenminister Ernst macht, wird er mit dieser Frage das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Foto: dpa (Foto: Foto: dpa)

Schily, unter Rot-Grün Bundesinnen- und -verfassungsminister, soll demnach im Jahr 2007 gegen ein nicht unerhebliches Entgeld von 140.000 Euro den schmiergeldbeschmutzten Siemens-Konzern beraten haben. An diesem Mittwoch wird deswegen der Ältestenrat des Bundestags voraussichtlich ein Ordnungsgeld gegen Schily verhängen. Das könnte sich auf 44.000 Euro belaufen, die Hälfte von Schilys jährlichen Diäten als Abgeordneter.

Selbst wenn die Strafe weniger heftig ausfällt: Schily will dagegen klagen. Das hat er schon vor Wochen angekündigt. Ihm geht es nicht ums Geld. Ihm geht es ums Prinzip.

Die Sache ist komplizierter, als sie scheint. Zunächst einmal: Nicht alle Anwälte, die zugleich Bundestagsabgeordnete sind, müssen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ihre Mandate offenlegen. Diese Pflicht obliegt nur jenen, die auf eigene Rechnung arbeiten. So wie Otto Schily, der eine eigene Sozietät führt. Oder die Familienanwältin Sibylle Laurischk, Abgeordnete der FDP. Sie gehörte zu den Klägern gegen das Offenlegungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht.

Friedrich Merz von der CDU hingegen, bekannt für seinen umfangreichen Katalog an Nebentätigkeiten, muss seine anwaltlichen Mandate nicht offenlegen. Er ist nur Angestellter der Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw LLP in Berlin und Frankfurt.

Schon das wird unter den Abgeordneten als Ungleichbehandlung wahrgenommen. Aber im Gegensatz zu Schily hat Laurischk die Klageabweisung vom vergangenen Sommer offenbar akzeptiert. Auf ihrer Bundestagsseite sind sauber alle neun Mandate aufgelistet, die sie zwischen November 2006 und heute angenommen hat.

Allerdings stark anonymisiert, so wie es das Gesetz vorsieht. Mehr als "Mandat 09, Januar 2008, Stufe 1" steht da nicht. Die Stufe beschreibt, in welchem Korridor sich die Einnahmen aus dem Mandat bewegen. Nur der Bundestagspräsident weiß, was sich genau hinter den Daten verbirgt. So soll die Schweigepflicht gewahrt bleiben.

Genau das ist in Schilys Augen der Knackpunkt: die Schweigepflicht. Die dürfe er als Anwalt nicht brechen. Schily hat dazu extra von der für ihn zuständigen Anwaltskammer Berlin eine Stellungnahme eingefordert, die sueddeutsche.de vorliegt.

In dem Papier heißt es, dass ein Anwalt, der zugleich Bundestagsabgeordneter ist, dem Bundestagspräsidenten nur dann Auskunft über seine Mandate erteilen dürfe, "wenn die Gefahr einer Deanonymisierung ausgeschlossen ist". Jeder Anwalt müsse deshalb "die Entscheidung, ob er Angaben über die Vergütung im Einzelfall machen kann, [...] eigenverantwortlich treffen".

Schilys Position ist hier klar: Er würde seine Schweigepflicht schon verletzen, wenn er nur dem Bundestagspräsidenten genaue Angaben über seine Mandate machen würde. Und im Fall Siemens würde auch die anonymisierte Form auf der Internetseite des Bundestages nicht weiterhelfen. Jeder kann sich nach dieser öffentlichen Debatte an zwei Fingern ausrechnen, welches der aufgeführten Mandate das von Siemens sein muss.

Eine andere Frage aber ist noch komplexer: Ist das Amt des Bundestagsabgeordneten ein Beruf oder ein bürgerliches Ehrenamt, das mit einer Diät entschädigt wird? Generationen von Verfassungsjuristen haben sich mit dieser Frage beschäftigt und sind zu keinem klaren Ergebnis gekommen.

Schily und die eine Hälfte der Karlsruher Verfassungsrichter glauben Letzteres. Schilys Gegner in dieser Sache halten das Bild vom Berufspolitiker für die treffendere Stellenbeschreibung. Nur weil das Verfassungsgericht in dieser Pattsituation ist, wurde die Klage der sieben Abgeordneten gegen die Offenlegungspflicht abgewiesen.

Für Schilys Position spricht, dass der frei gewählte Abgeordnete niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Ein Abgeordneter kann faul sein oder bienenfleißig - rechtlich steht über ihm nur sein Gewissen.

Soweit die verfassungsrechtliche Theorie. In der Praxis aber sind Abgeordnete hochspezialisierte Politikmanager. Sie sind der Fraktion verpflichtet und werden vom Fraktionschef schon mal zum Rapport bestellt, wenn etwas nicht der vorgegebenen Linie entspricht. Einen Bundestagspräsidenten als Dienstvorgesetzten sieht allerdings auch diese Sichtweise nicht vor. Darum will Schily auch keinen Grund sehen, warum er Lammert Auskünfte über seine Mandate geben soll, die er nicht geben will.

Beigelegt wird der Streit so schnell wohl nicht. Wenn Schily Ernst macht - und davon ist auszugehen - dann zieht er in eigener Sache bis vor das Bundesverfassungsgericht, um die Frage der Schweigepflicht ein für alle Mal klären zu lassen. Prinzipienreiter wie er haben da bekanntlich enorme Ausdauer.

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