Nahost:Große Sorge um Jordanien

Lesezeit: 2 min

Angriff auf die jordanische Grenze: Ein Verletzter wird mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus von Amman gebracht. (Foto: Muhammad Hamed/Reuters)

Ein Bombenanschlag an der Grenze zu Syrien nährt die Furcht, dass der Bürgerkrieg auf das Nachbarland Jordanien übergreift.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Bei einem Autobombenanschlag auf einen Posten der jordanischen Armee an der Grenze zu Syrien sind am Dienstag nach offiziellen Angaben vier Grenzsoldaten und zwei Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden getötet und weitere 14 Menschen verletzt worden. Die Angreifer hatten sich von syrischem Territorium aus mit mehreren Fahrzeugen genähert. Bis zum Abend übernahm niemand die Verantwortung für den Angriff. Er befeuerte aber Sorgen, dass der Bürgerkrieg in Syrien zunehmend das Nachbarland destabilisieren könnte, in dem Terroranschläge selten sind, und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) versuchen könnte, ihre Angriffe auf Jordanien auszuweiten. Der IS hat gedroht, die Grenze zu Jordanien niederzureißen. Armee und Geheimdienst des Landes konnten dies bislang aber weitgehend erfolgreich verhindern.

Der Autobombenanschlag, möglicherweise von einem Selbstmordattentäter ausgeführt, ist zwar die erste Attacke dieser Art seit Beginn des Syrien-Krieges im Jahr 2011. Bei einem Anschlag vor zwei Wochen auf ein Büro des jordanischen Geheimdienstes in Baqaa, dem größten palästinensischen Flüchtlingslager nahe der Hauptstadt Amman, waren aber bereits drei Offiziere und zwei weitere Mitarbeiter des Dienstes erschossen worden. Über den Täter ist wenig bekannt, weil die Behörden eine Nachrichtensperre verhängt haben.

Bei einer Antiterror-Operation im Grenzgebiet zu Syrien hatte die Armee Anfang März in der Stadt Irbid eine schwer bewaffnete Terrorzelle ausgehoben und in einem mehrstündigen Feuergefecht acht mutmaßliche IS-Mitglieder getötet. Bei ihnen wurden automatische Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden; sie sollen eine Serie von Anschlägen geplant haben.

Auf der syrischen Seite campieren 50 000 Flüchtlinge, die nur notdürftig versorgt werden

Der Angriff am Dienstag ereignete sich im Dreiländereck von Syrien, Irak und Jordanien, einem Gebiet, das unter dem Namen Raqban bekannt ist. Auf jordanischer Seite ist es mit einem aufgeschütteten Erdwall und Wachtürmen gesichert. Auf der syrischen Seite campieren im Niemandsland mehr als 50 000 Flüchtlinge, die von internationalen Hilfsorganisationen notdürftig versorgt werden. Der attackierte Posten wickelt die Hilfslieferungen ab, das Lager wurde nicht getroffen.

Jordanien hat die Grenze 2013 geschlossen und lässt derzeit nach strengen Überprüfungen nur 200 bis 300 Personen pro Tag ins Land, meist Frauen und Kinder. Offiziell begründet die Regierung dies mit der berechtigten Sorge, dass der IS die Lager infiltriert hat und versuchen könnte, Kämpfer ins Land zu schmuggeln. Zu der restriktiven Politik dürfte aber auch die wirtschaftliche Belastung des kleinen Landes durch die Flüchtlinge beitragen. Jordanien hat mehr als 650 000 registrierte syrische Flüchtlinge aufgenommen, insgesamt leben nach Regierungsangaben fast 1,3 Millionen Syrer dort. Ein Drittel der inzwischen auf 9,5 Millionen angewachsenen Bevölkerung sind bereits Flüchtlinge und Gastarbeiter.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: