Nahost:"Dies trägt nicht zur Sicherheit Israels bei"

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US-Präsident George W. Bush hat den israelischen Raketenangriff auf einen führenden Funktionär der militanten Hamas-Bewegung kritisiert. Beim vergeblichen Versuch, den Hamas-Sprecher Abdel Asis Rantisi zu liquidieren, hatten israelische Kampfhubschrauber in Gaza-Stadt drei Palästinenser getötet und 27 weitere verletzt, darunter Rantisi. Die Hamas kündigte umgehend Vergeltung an.

Der Sprecher des US-Präsidenten, Ari Fleischer, sagte, Bush sei zutiefst beunruhigt über den Angriff in Gaza-Stadt und besorgt, dass der Angriff die Bemühungen der palästinensischen Führung um ein Ende der Gewalt untergraben werde.

Abdel Asis Rantisi (Foto: AP)

Mit einem massiven Raketenangriff auf die palästinensische Stadt Gaza hatte Israel am Dienstag vergeblich versucht, den Hamas-Sprecher Abdel Asis Rantisi zu töten.

Die gemäßigte palästinensische Regierung äußerte sich entsetzt und sprach von einem Schlag gegen den Friedensprozess, der erst in der vergangenen Woche erneuert worden war.

Bei dem Angriff von Kampfhubschraubern auf den führenden Funktionär Rantisi und Hardliner der militanten Hamas-Bewegung kamen zwei Bewohner von Gaza ums Leben gekommen, ein achtjähriges Mädchen und eine 44-jährige Frau. Unter den 27 Verletzten sind nach Angaben von Ärzten drei in kritischem Zustand.

Die Hubschrauber hatten sieben Raketen auf Rantisis Auto abgefeuert, das sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf einer viel befahrenen Hauptstraße von Gaza befand. Vermutlich verdankt Rantisi sein Leben nur dem Umstand, dass die erste Rakete Augenzeugen zufolge ihr Ziel verfehlte.

"Der Doktor (Rantisi) sprang sofort aus dem Auto", berichtete der 23-jährige Brotverkäufer Salim Abdullah. "Ein Hubschrauber schoss mit Maschinengewehren auf ihn, während er davonlief."

Rantisi wurde am rechten Bein verletzt und im Schifa-Krankenhaus von Gaza operiert. Auch Abdullah war unter den 27 Verletzten, ebenso ein Sohn Rantisis und drei Leibwächter. Tödlich getroffen wurden ein achtjähriges Mädchen und eine 44-jährige Frau.

Das Auto, ein Geländewagen des Typs Mitsubishi Pajero, ging in Flammen auf und wurde völlig zerstört.

Der Angriff der Kampfhubschrauber kam wenige Stunden nachdem Israel - wie von Ministerpräsident Ariel Scharon versprochen - die ersten zehn Außenposten jüdischer Siedler im Westjordanland geräumt hatte. Bei der Billigung des Friedensplans hatte Israel noch angedeutet, dass es die weithin kritisierte Praxis gezielter Liquidierungen einstellen würde.

Nun wird auch die Lage für den palästinensischen Regierungschef Mahmud Abbas noch schwieriger. In den eigenen Reihen wächst die Kritik, dass er für seinen Aufruf zur Einstellung der Intifada zu wenige Zugeständnisse von Israel erhalten habe.

Vergeltung angekündigt

Die Hamas kündigte umgehend Vergeltung an. Mehrere tausend wütende Hamas-Anhänger versammelten sich nach dem Angriff vor dem Schifa-Hospital. Ihr Zorn galt aber weniger den Israelis als der eigenen Regierung und dem Ministerpräsidenten Abbas alias Abu Masen.

"Wir wollen Widerstand, Abu Masen!" Rief die Menge in Sprechchören. "Wir werden nicht aufgeben, keine Zusammenarbeit mit den Zionisten!" Und zur Demonstration ihrer Entschlossenheit feuerten Hamas-Kämpfer in die Luft.

"Die Antwort von Hamas wird wie ein Erdbeben sein", drohte Hamas-Funktionär Mahmud Sahar; der Chirurg war bei der Behandlung Rantisis mit im Operationssaal. Künftige Angriffe auf Israel würden sich jetzt auch gegen Politiker richten. Das palästinensische Volk müsse den von Bush vorgelegten Friedensplan in den Müll werfen und sich auf einen Fahrplan des Heiligen Kriegs verpflichten.

In den 32 Monaten seit Beginn der zweiten Intifadah sind bei Anschlägen der Hamas mehrere hundert Israelis ums Leben gekommen. Erst am Sonntag wurden bei einem Überfall am Rand des Gazastreifens vier israelische Soldaten erschossen - auf einem Flugblatt bekannten sich die Hamas, der Islamische Dschihad und die Al-Aksa-Brigaden gemeinsam zu dem Anschlag.

"Ein Angriff auf den Fahrplan zum Frieden"

Nach dem Raketenangriff könnten nun auch die gemäßigten Palästinenser ihre Haltung revidieren. Kabinettsminister Kassir Abed Rabbo warf Israel vor, den Friedensprozess zu zerstören.

Mit dem Anschlag auf Rantisi werde es für Abbas unmöglich, die Hamas doch noch zu einem Waffenstillstand zu bewegen. "Dies ist ein Angriff auf den Fahrplan zum Frieden", sagte Rabbo mit Blick auf den Nahost-Gipfel am Mittwoch vergangener Woche im jordanischen Akaba. "Dies ist ein Angriff auf die Bemühungen von George Bush."

Der palästinensische Informationsminister Nabil Amer sprach von einem Versuch Israels, "alle politischen Bemühungen um eine Beruhigung der Region zu torpedieren und den Gazastreifen in Brand zu setzen".

Kritik aus den eigenen Reihen

Die israelische Armee und das Büro Scharons lehnten zunächst jede Stellungnahme ab. Kritik kam jedoch auch aus den eigenen Reihen. So sagte der liberale israelische Minister für Infrastruktur, Josef Parizki: "Zu einem Zeitpunkt, an dem wir mit den Palästinensern verhandeln und (Ministerpräsident Mahmud) Abbas stärken wollen, sollten wir keine Aktionen unternehmen, die seine Position auf der palästinensischen Straße schwächen."

Auch Mitglieder des linken politischen Spektrums in Israel kritisierten die Aktion scharf. Sahava Galon von der Merez-Partei sagte, Israel spreche von Frieden und tue gleichzeitig alles, um eine Versöhnung zu verhindern. Die Aktion beweise erneut "den Gegensatz zwischen den Worten und Taten" von Ministerpräsident Ariel Scharon.

Israelische Siedler wollen Widerstand leisten

Gegen die am Montag eingeleitete Räumung illegal errichteter Außenposten israelische Siedlungen im Westjordanland formierte sich unterdessen Widerstand der Siedler. "Wir haben Tausende, sogar Zehntausende, die zum Kampf bereit sind", erklärte Siedlerführer Adi Minz.

Der Vorsitzende des Siedlerrats, Benzi Lieberman, rief zu friedlichem Widerstand auf. Für jeden geräumten Außenposten jüdischer Siedlungen würden zwei neue errichtet.

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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