Nahost:Brüssel stoppt Zahlungen an Hamas-Regierung

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Weil sich die Terrororganisation weigert Israel anzuerkennen, hat die EU ihre Finanzhilfen fürs Erste eingestellt. Die palästinensische Bevölkerung soll aber weiter Hilfe erhalten. Die Hamas will sich aber nicht erpressen lassen.

Martin Winter

Die Europäische Union stellt vorerst alle Zahlungen an Palästina ein. Damit reagiert sie auf die Weigerung der nun regierenden Hamas, die Bedingungen der EU und des Nahost-Quartetts für eine Zusammenarbeit zu erfüllen.

In Brüssel sieht man weder Anzeichen, dass die als Terrorgruppe eingestufte Hamas das Existenzrecht Israels anerkennt, noch der Gewalt abschwört oder sich am Friedensprozess beteiligt. Die EU-Außenminister wollen in den kommenden Wochen einen Weg finden, wie man der Hamas-Regierung Geld vorenthalten, den Palästinensern aber weiter humanitär helfen kann.

In einer ersten Reaktion sagte Regierungssprecher Ghasi Hamad in Gaza, Hamas lasse sich nicht "erpressen". Er warf Brüssel vor, mit der Strafaktion das ganze palästinensische Volk zu treffen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP ist die Hamas jetzt bereit, die so genannte Zwei-Staaten-Lösung zu akzeptieren, was die Anerkennung Israels bedeutete. Ministerpräsident Ismail Hanija wollte laut AP darüber noch am Freitag mit Präsident Machmud Abbas sprechen.

Einen Tag, nachdem der neue palästinensische Ministerpräsident Ismail Haniya seinem Kabinett mitgeteilt hatte, dass die Regierungskassen leer seien, informierte die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner die Mitgliedstaaten über den Zahlungsstopp aus Brüssel.

Ihre Sprecherin Emma Udwin teilte mit, dass man nun "allergrößte Vorsicht bei Zahlungen an oder durch die palästinensische Selbstverwaltung" walten lassen werde. In der Praxis heißt das, die Palästinenserregierung erhält keine Haushaltszuschüsse mehr, zum Beispiel für die Bezahlung der Staatsbediensteten.

Es werden aber auch Projekte gestoppt, an denen die palästinensische Regierung zum Beispiel durch Planungsentscheidungen beteiligt ist. Unmittelbar betroffen sind davon nach Angaben aus der Kommission 30 Millionen Euro, die bereits zur Auszahlung vorgesehen waren.

Auswirkung könnte diese Entscheidung vor allem auf die Energieversorgung Palästinas haben. Von den in diesem Jahr von der EU für Palästina neu bewilligten 121,5 Millionen Euro stehen 40 Millionen zur Begleichung von Strom-, Wasser- und Gasrechnungen zur Verfügung. Davon sind aber erst 15 Millionen abgeflossen. Die restlichen 25 Millionen könnten zwar auch genutzt werden, da Brüssel nur von Israel beglaubigte Rechnungen direkt mit den israelischen Versorgern begleicht.

Weil es aber keinen offiziellen Kontakt mit der Hamas-Regierung gibt, kann auch niemand die Rechnungen an die EU weitergeben. Mit 64 Millionen ging gut die Hälfte der neuen Mittel im März an die Vereinten Nationen, die in den Flüchtlingsgebieten helfen. Und 17,5 Millionen Euro waren noch an die alte Regierung zur Zahlung von Gehältern überwiesen worden.

Als Folge des Zahlungsstopps werden 20 EU-Berater die palästinensischen Gebiete verlassen, weil das Geld für ihre Arbeit ausbleibt. Davon nicht betroffen sind die EU-Mission zur Überwachung des Grenzüberganges Rafah und der Einsatz von Polizeiberatern.

Die Kommission erwartet nun von den Mitgliedsländern eine Entscheidung, wie die nach den Wahlen in Palästina beschlossene Position in die Praxis umgesetzt werden kann, die Regierung weder direkt noch indirekt von europäischem Geld profitieren zu lassen, ohne die humanitäre Hilfe einzustellen.

Die Beratungen darüber beginnen die EU-Außenminister am Montag. Mit einer Entscheidung wird jedoch erst in einigen Wochen gerechnet. Während etwa Deutschland für eine harte Linie eintritt, plädieren andere Staaten wie Finnland oder Schweden für eine nachgiebige Haltung.

© SZ vom 8.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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