Naher Osten:Gipfel der Rivalitäten

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Irans Präsident Ahmadinedschad besucht zum ersten Mal Saudi-Arabien. Das ist sowohl für den Gast als auch für den Gastgeber von großem strategischen Interesse. Ein Kommentar von Tomas Avenarius.

Die orientalische Höflichkeit verbietet es, Gästen gegenüber seinen Unmut zu zeigen. Trotzdem weiß Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dass ihn Saudi-Arabien an diesem Samstag ohne jede Sympathie empfängt.

Erstens stilisiert sich Ahmadinedschad zum Vertreter einer angeblich wieder erwachenden islamischen Revolution hoch; das missfällt den konservativen Saudis sehr.

Zweitens ist der Iraner Staatschef eines Landes, das dem arabischen Königshaus die Führungsrolle am Persischen Golf und in der islamischen Welt streitig macht. Das beunruhigt die Saudis noch weit mehr.

Die saudischen Führer wissen aber, dass der sich militant gebende Ahmadinedschad nicht die wirkliche Macht hat in Iran. Die politische Richtlinienkompetenz in der Islamischen Republik liegt beim obersten Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei.

Der polternde Ahmadinedschad

Der revolutionär polternde Präsident repräsentiert nur eine Fraktion im Teheraner Machtapparat - und nicht einmal die stärkste. Wie viel politische Leine Chamenei Ahmadinedschad lässt, gibt somit Hinweise auf die Absichten der Führung im Mullah-Staat.

Die Spitze des Teheraner Regimes weiß, dass das Risiko eines US-Angriffs auf die iranischen Atomanlagen täglich steigt. Auch weiß sie, dass ihr Land in der Atomkrise nicht nur gegen die USA steht. Sie muss auch die Interessen der arabischen Staaten berücksichtigen.

Die Amerikaner mögen Flugzeugträger, Raketen und Truppen am Golf haben. Ohne die politische Unterstützung der sunnitischen Golf-Staaten - allen voran Saudi-Arabien - kann die Supermacht Amerika aber nicht gegen Iran vorgehen. Weder politisch noch militärisch.

Das verschafft dem Besuch Ahmadinedschads Gewicht. Klar ist: In der Atomfrage werden die Saudis nicht nachgeben, bis Teheran einwandfrei belegt, dass sein Nuklearprogramm friedlich ist. Ein iranischer Staat mit Atombombe wäre Vormacht am Golf und würde die Saudis marginalisieren. Da Teheran sich in der Atomfrage aber nicht bewegt, wird Ahmadinedschad in anderen Punkten nach Übereinstimmung suchen. Auch in der Regionalpolitik gibt es Streit.

Kampf um die Vormachtstellung im Nahen Osten

Iran steht hinter den immer mächtiger werdenden Schiiten im Irak, während Saudi-Arabien die Interessen der an den Rand gedrängten Sunniten zu schützen versucht. Im Libanon konkurrieren Iraner und Saudis offen - dort bedroht die schiitische Hisbollah die Existenz der sunnitischen Regierung.

Iran mischt zudem in Palästina mit, wo die Saudis ebenfalls die Hoheit beanspruchen: Das hat die vom Königshaus moderierte Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung gezeigt. Raum für Zugeständnisse von iranischer Seite gäbe es also. Doch allzu weit kann Teheran hier nicht gehen. Die Führung weiß, dass sie einem amerikanischen Angriff militärisch nichts entgegensetzen kann.

Der potentiell destruktive Einfluss im Irak, im Libanon und in Palästina ist deshalb ihre schärfste Waffe. Teheran kann die Konflikte in diesen Staaten beinahe auf Knopfdruck anheizen und den Nahen Osten destabilisieren. Dieses Potential wird Teheran kaum aus der Hand geben, solange die Atomkrise schwelt.

In einer solch verfahrenen Lage bei den Saudis dennoch Vorteile auszuhandeln, erfordert diplomatisches Geschick. Schließlich verfügen die Saudis über wirkungsvolle Hebel:

Als großer Ölproduzent und enger US-Verbündeter können sie den Ölpreis kurzfristig und massiv beeinflussen. Allein teures Öl schützt Iran vor den Auswirkungen neuer Sanktionen und verschafft dem Regime das Geld für seine fragwürdige Regionalpolitik.

Ob der aus Prinzip undiplomatische Ahmadinedschad der richtige Mann ist, um die Saudis als Vermittler im Konflikt mit den USA und der Weltgemeinschaft zu gewinnen, darf bezweifelt werden.

Was schade ist: Angesichts der Gefährlichkeit der Atomkrise hätten die Iraner einen halbwegs ehrlichen Fürsprecher in der Region bitter nötig.

© SZ vom 03. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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