Nahaufnahme: Unterwegs mit Michael Ammer, der als Deutschlands Partykönig auftritt:Michi und die Nackte auf dem Pferd

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Wie ein Mensch in Zeiten von Kriegen und Krisen zu einer Berühmtheit wurde, weil er es versteht, mit rauschenden Festen Geld zu machen

Von Robert Lücke

Düsseldorf, Anfang Mai - Jetzt kommt der Michi. Vor dem Michi, der einen hellen Wildledermantel trägt, teilt sich die Menschenmenge. Neben ihm geht Donna Vargas, die Porno-Queen, es folgen der Schauspieler Axel Wedekind und Frauen mit Furcht einflößend großen Brüsten. Alle sind erhellt von Scheinwerfern mehrerer Kamerateams. Victor, der Michis VIP-Bereich-Türsteher ist und, wie alle Menschen aus Michis Truppe, ohne Nachnamen, Victor brüllt zum Barmann am nahen Tresen: "Sekt! Sekt!", gerade als Michi und Begleiter das Podium erreicht haben, das ein Stück oberhalb der Tanzfläche in dieser sehr schicken Diskothek an der Düsseldorfer Königsallee liegt.

Natürlich guckt von unten in dieser Samstagnacht um kurz vor ein Uhr auch der letzte der 2000 Party-Gäste hoch auf das Podest und das Sofa. Die Fotografen dirigieren die inzwischen angekommene Gruppe auf der Couch zusammen, und dahinter, wo es Minuten zuvor noch sehr leer war, ist es nun sehr voll und eng, es wird hektisch gedrängelt, Hälse werden in die Länge gereckt, hastig wird bestellt und ausgetrunken. Es wird sehr, sehr viel getrunken. Der Michi macht jetzt das, was er am liebsten tut. Er nimmt eine Schlagzeile in den Arm, dieses Mal ist es Carla, laut eines Boulevardblatts das "schärfste Partyluder Hamburgs".

So sieht das aus, wenn "Deutschlands Partykönig" seinen großen Auftritt inszeniert, sich feiern lässt und mitfeiert. Und wie seltsam so etwas ist in Zeiten von Kriegen, Krisen und Krankheiten, wird alleine schon klar, wenn man nur nahe genug herangeht und einfach anschaut, was passiert. Natürlich kommt der selbst ernannte König absichtlich immer erst dann, wenn alle anderen schon da sind. Das alles tut Michael Ammer, der nur Michi genannt werden will, seit Jahren, und er tut das so erfolgreich, dass ihm dabei immer Journalisten und Fotografen und Millionen Leser zugucken wollen.

Auf Kosten der Oma

Angefangen hat alles vor zehn Jahren, da hat Ammer die erste "Hamburger Modelnacht" veranstaltet und dazu in die Disko "Valentino's" viele junge und vor allem hübsche Frauen eingeladen und Prominente. Inzwischen macht er das auch auf Sylt, in Köln, Berlin, Düsseldorf, vor kurzem ist auch München ins "Ammer-Fieber" gefallen, so haben es zumindest die Boulevardzeitungen genannt. So ist es immer, wenn der Michi feiert, man glaubt es nicht. Selbst dann, wenn gerade irgendwo wieder Bomben fallen oder sich düstere Wirtschaftsdaten oder neue Horrorzahlen vom Arbeitsmarkt bleiern über das deutsche Gemüt legen. Vielleicht gerade dann.

An einem langen Tisch in einer sehr großen Wohnung mit teurem Hamburger Außenalsterblick sitzt ein paar Tage vor diesem Samstagabend in Düsseldorf Michael Ammer und trinkt Milch, nachdem er dem Besucher erst erzählt hat, dass er den "ganzen Nachmittag auf dem Balkon war, gleich kommt noch ein Fernsehteam, super Aussicht, hab' Anfragen für Partys von überallher, sollen wir uns duzen?" Dann sagt er mit einer Stimme, die krächzend klingt, weil er als Kind Asthma hatte und heute viele Zigaretten raucht: "Ich finde es gut, dass die Leute sich darüber Gedanken machen, wie es im Irak weitergehen soll." Der Hussein, das sei eine Bestie gewesen, und Hitler habe man ja auch erst gestoppt, als er schon Millionen Menschen umgebracht hatte. Politisch ist er also auch, offenbar sehr. Weshalb er zu dem Schluss gekommen ist, dass man ja nicht ständig über Krieg und Krise nachdenken könne. Einmal in der Woche zu feiern, sagt Michael Ammer, das muss doch erlaubt sein. "Aber es muss in der Zeitung stehen", sagt er und pocht mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte.

Es klingelt an der Tür. Ammer öffnet, und herein kommt eine junge, dunkelhaarige Frau: Carla. Ammer kramt die Titelseite einer Hamburger Boulevardzeitung heraus, streicht sie glatt auf dem Tisch, ein Foto von Carla ist drauf. Weiter hinten stehen allerdings nicht die erwarteten pikanten Details über ihre amourösen Abenteuer, sondern nur, wie Carla mit dem Michi zu einer Party gefahren ist, inklusive einer Aufzählung der verzehrten Markengetränke, des benutzen Luxuszugs und der Hotelkette, in der die Party- Gesellschaft schlief. Trotzdem hat's für die Seite eins gelangt.

Das ist das Prinzip: Mädchen-plus-Promis gleich Medien-und-Geld. Das ist das Prinzip Ammer, und es funktioniere nur dann gut, wenn man viel Erfahrung habe, sagt Ammer. Als der 19-jährige Ammer 1980 in einer Hamburger Papierhandlung seine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann begann, durfte er auf Kosten der Oma fünf Jahre lang durch die Welt reisen - "Miami, Barcelona, überall. Ich hab' alles kennen gelernt, Diskos, Frauen". Schon damals sei es üblich gewesen, dass Models in den Diskos Freigetränke bekamen, und wo viele Frauen waren, waren Promis, zum Beispiel Julio Iglesias, und wo der war, waren Fotografen.

Wieder daheim hat Ammer das Erfolgsrezept zusammen mit seinem Freund Robert Quost ausprobiert, dem Anfang der Neunzigerjahre in Hamburg eine Diskothek gehörte. Als Superstar Prince ein Konzert in der Stadt gab, gelang es Ammer, ein Bandmitglied in die Disko zu lotsen. Einen Tag später kam Prince nach seinem Auftritt mit 20 Bodyguards. Das war die beste Werbung. Später wollten Gruppen wie "Aha" und "Depeche Mode" oder Sänger wie Billy Idol auf Ammers Partys, der seitdem nur noch die Kontakte zu den Plattenfirmen und Konzertveranstaltern pflegen muss.

Seine Feste in Hamburger Clubs wurden legendär. Einmal ließ er eine Veranstaltung mit bluttropfenden Schweinehälften und Grabsteinen dekorieren, "und Grace Jones wollte wie einst Bianca Jagger im New Yorker Studio 54 auf einem weißen Schimmel nackt durch unseren Hamburger Club reiten", sagt Ammer. Was sie auch durfte - und hinterher hammse der noch ihr Pferd geklaut". Das war früher, sagt Ammer, und es klingt ein bisschen traurig, weil doch all dieser Glanz verblichen ist.

Trotzdem: In der Hoffnung, selbst etwas zu glänzen, haben sich also an diesem Samstagabend in der Düsseldorfer Diskothek "Nachtresidenz" mehr als 2000 Menschen versammelt, noch mal so viele warten draußen vor der Tür auf Einlass, meist vergeblich. Auch drinnen herrscht eine Zwei-Klassen- Gesellschaft: Ein kleiner Teil der Partybesucher bei dieser "Düsseldorfer Model-Nacht" steht auf Ammers Gästeliste, darf in den VIP-Bereich, muss keinen Eintritt bezahlen und kann umsonst trinken. Der Rest darf zahlen und die VIPs neidisch beobachten.

Der VIP-Bereich ist immer da, wo irgendwann am Abend der Michi auf einer Couch sitzt, meist eingerahmt von Frauen und Promis, wenn welche da sind. Weil aber die Promidichte in dieser Nacht nicht besonders hoch ist und gerade mal ein paar Fußballspieler von Borussia Dortmund und der Schauspieler Benno Führmann den Weg hierher gefunden haben, versuchen viele von den angeblichen VIPs zumindest wichtig auszusehen, während sie von unten, wo die zahlende Masse steht, angestarrt werden, auch wenn sie eigentlich keiner kennt. Unter denen, die hoch starren, sind viele Männer, deren Haare für ihr Alter entschieden zu lang, und Frauen, deren Gesichter für ihr Alter zu alt oder deren Körper für ihr Alter zu jung aussehen. Schließlich fangen einige fast nackte Frauen an, auf Tischen und Lautsprecherboxen zu tanzen, Feuer zu schlucken und sich gegenseitig mit Öl einzureiben. Am darauf folgenden Montag rapportieren die Boulevardblätter dann auch brav etwas von "Sex in the City" und haben Ammer sogar im Nahkampf gesehen mit einer "Porno-Queen".

Darf man überhaupt so feiern, während im Irak oder im Kongo oder sonstwo Menschen hungern und sterben? Feiern, so wie Ammer es tut? "Ja", sagt Ammer, "warum eigentlich nicht?" Er reagiert, so viel ist sicher, nicht alleine mit diesem Achselzucken auf die Schattenseiten des Lebens, eine ganze Industrie lebt von dieser Nonchalance. Und ist es denn wirklich so schlimm, fragt Ammer, wenn man angesichts von bald fünf Millionen Arbeitslosen und verdüsterter Stimmung wenigstens für ein paar Stunden das tut, was die Amerikaner "let your hair hang down" nennen? Ist es wirklich so schlimm, einmal Champagner aus dem Bauchnabel einer Frau zu trinken, die sich auf einem Tresen räkelt?

Das Produkt Ammer funktioniere immer, sagt Ammer. Im Krieg wie im Frieden. Vor jeder Party ruft er Modelagenturen an und sorgt dafür, dass die auch genügend Mädchen zu den Veranstaltungen schicken. Dafür werden die Agenturen dann auf Plakaten als Sponsoren genannt und die Mädchen dürfen kostenlos mitfeiern, genau wie die Führungsetage einer spanischen Sektkellerei kostenlos mitfeiern darf, und die einer russischen Wodkamarke, und die eines österreichischen Energydrinks, und die eines deutschen Fruchtsafts. Manche Firmen haben sehr viele Führungspersönlichkeiten, wenn es ans Feiern geht. Ein einziger Bericht über eine Party, in dem neben den Namen der anwesenden Prominenten auch die dort verzehrten Getränke genannt würden, sei mehrere zehntausend Euro wert, sagt Ammer. Für ihn selbst zahlt sich das aber auch aus, natürlich. Im vorigen Jahr stieg sein Umsatz aus Sponsoren- und Eintrittsgeldern um 30 Prozent, für dieses Jahr erwartet er nochmal dasselbe. Krisenzeit ist Partyzeit.

So toll wie Casanova

Ohne Bild und Bunte oder RTL- Exclusiv wäre Michael Ammer allerdings nichts. Gäbe es nicht die wilden Geschichten vom Michi, der alle Frauen kriegt, niemand würde Ammer solche Beachtung schenken. Casanova und Don Juan haben den Weiberhelden gut gespielt, aber die sind Geschichte, Ammer ist Gegenwart. Und die Leser, Zuschauer und Partygäste finden es toll, wenn einer das macht, was auch sie gerne tun würden: Frauen verschleißen, feiern, als gäbe es kein Morgen.

Ammer sagt heute, der Ammer von früher, das sei vorbei. Der schmierige Ammer, der Drogen-Orgien feiernde Hühnerkönig, der von albanischen Kick-Boxern krankenhausreif geschlagen wurde, der wegen Kokain-Weitergabe vor Gericht stand und einer Ex-Freundin von Wladimir Klitschko das Gesicht in einen Aschenbecher gedrückt haben soll. Aus, vorbei, sagt er und nippt an seiner Milch. Heute sei er Geschäftsmann. "Ich arbeite 16 Stunden am Tag."

Ammer sagt, dass er sich sehr bemühe. "Wenn Leute wie Dieter Bohlen kommen und auf meinem Sofa Platz nehmen, sollen die sich wie im Wohnzimmer fühlen." Und weil nachher alles stimmen muss in Michis Wohnzimmer, schreitet er ein paar Stunden vor Partybeginn, hinter sich acht Höflinge, jeden Meter in der Diskothek ab und sucht sich den Platz aus, von dem aus er Hof halten wird. "Ich sitz' ja hier wie auf 'ner Bühne", sagt er und fragt den Andy, der Ammers Feten organisiert, was der davon hält. Andy sagt: "Ich find das ganz geil hier", aber Ammer hat Angst davor, "dass die Kamerateams vorne in den Graben fallen". Außerdem müssen die Türsteher auf der Tanzfläche nach Frauen spähen können, die in den VIP-Bereich passen. "Je nachdem, was für Frauen da schon drin sind, und was für Promis, das muss ja stimmen", sagt Mark, der eigentlich Bestatter von Beruf ist, das hier aber seit 20 Jahren "nur so spaßeshalber nebenher" macht.

Im nächsten Sommer will Ammer auf Ibiza feiern mit Ferrari-Shuttle- Service, der zweitgrößten Privatyacht der Welt und später in der persönlichen Badebucht von Richard Gere. Und wenn Michi Ammers Leben mal verfilmt wird, soll der Ben Becker den Michi spielen. Wenn der nicht will, sagt Ammer, "mache ich das eben selbst". Und wenn irgendwann mal endgültig Frieden herrschen sollte im Mittleren Osten, wird er in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten insgesamt drei Partys veranstalten: eine auf dem Dach des Sieben- Sterne-Hotels Burj Al Arab, eine auf dem Meer und eine in der Wüste. So als wäre nichts gewesen.

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