Nachwahl in Dresden:Schröder rückt von Anspruch auf Kanzleramt ab

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Gerhard Schröder sagte, er wolle einer stabilen Regierung nicht im Wege stehen und hat sein politisches Schicksal in die Hände der SPD gelegt.

Peter Blechschmidt

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Bereitschaft zum Verzicht auf das Kanzleramt angedeutet. "Ich will nicht einer Entwicklung zur Fortführung des von mir eingeleiteten Reformprozesses und zu einer stabilen Regierung in Deutschland im Wege stehen", sagte Schröder am Montag dem Sender RTL.

Bereit zum Rückzug: Gerhard Schröder. (Foto: Foto: dpa)

Er werde jede Entscheidung der SPD akzeptieren. Nach dem Erfolg der Union bei der Nachwahl in Dresden war zuvor bereits SPD-Chef Franz Müntefering von der dezidierten Forderung nach einer weiteren Kanzlerschaft Schröders abgerückt. Am Montagabend trat in Berlin das SPD-Präsidium zusammen.

Nach der Dresden-Wahl und vor dem nächsten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD am Mittwoch konzentrierte sich die Diskussion auf die Frage, wer in einer großen Koalition den Kanzler stellen soll. Es gehe nicht um seinen persönlichen Anspruch und nicht um seine Person, sagte Schröder vor der Sitzung des SPD-Präsidiums.

Es gehe vielmehr um den politischen Führungsanspruch seiner Partei. Darüber wiederum könne nur die Parteiführung befinden. Er werde jede Entscheidung akzeptieren, sagte Schröder. Er wollte dem Vernehmen nach damit erreichen, dass sich das Präsidium nach der Absetzbewegung der letzten Tage entweder geschlossen hinter ihn stellt oder klar erklärt, dass es ihn als Kanzler nicht mehr will.

Zuvor hatte SPD-Chef Müntefering in Interviews erkennen lassen, dass die SPD den Anspruch auf die weitere Kanzlerschaft Schröders nicht mehr so entschieden vertritt wie bisher.

So sagte er mit Blick auf die Gespräche mit der Union: "Wir sind dafür, dass Gerhard Schröder Kanzler ist. Aber es wird in diesen Verhandlungen über die Gesamtkonstellation zu sprechen sein." Noch diese Woche solle über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entschieden werden.

"Vom Wähler erzwungen"

Nach ihrem Wahlerfolg in Dresden sieht sich die Union im Streit mit der SPD über den Führungsanspruch in einer künftigen großen Koalition gestärkt. Bei der Nachwahl in der sächsischen Landeshauptstadt gewann die CDU am Sonntag ein weiteres Direktmandat und hat damit im neuen Bundestag vier statt drei Sitze mehr als die SPD.

"Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die CDU", sagte Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. "Ich setze nun auf die vernünftigen Kräfte in der SPD, dass die Dinge einen vernünftigen Verlauf nehmen." Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erklärte, die SPD müsse Merkels Anspruch auf das Kanzleramt vor formalen Koalitionsverhandlungen akzeptieren.

In Dresden gewann der CDU-Kandidat Andreas Lämmel mit knapp 37 Prozent der Erststimmen das Direktmandat. Die SPD-Bewerberin Marlies Volkmer kam auf 32,1 Prozent. Bei den Zweitstimmen lag die SPD mit 27,9 Prozent vor der CDU mit 24,4 Prozent. Offenbar hatten viele Anhänger von Union und FDP taktisch gewählt, denn die Liberalen kamen auf überdurchschnittliche 16,6 Prozent.

Ein besseres Zweitstimmen-Ergebnis hätte die CDU wegen des komplizierten Zählverfahrens ein Mandat gekostet. Die Union verfügt nun im Bundestag über 226 Sitze gegenüber 222 Mandaten für die Sozialdemokraten. Die FDP bleibt mit 61 Sitzen drittstärkste Kraft, die Linkspartei/PDS stellt 54, und die Grünen kommen auf 51 Abgeordnete.

Für eine große Koalition sprachen sich in deutlichen Worten Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber aus. Clement sagte beim Gewerkschaftstag der IG Bau in Bonn, nur die große Koalition sei "in der Lage, grundlegende neue Weichenstellungen vorzunehmen".

Stoiber meinte, zu einem Bündnis von Union und SPD gebe es keine Alternative. Es sei "vom Wähler erzwungen worden". Stoiber sagte, er habe "große Erfahrung" bei der Konsolidierung öffentlicher Haushalte. Bayern habe es als einziges Bundesland geschafft, für 2006 einen Etat ohne neue Schulden aufzulegen. Dies wurde als Hinweis auf das Interesse Stoibers am Amt des Finanzministers verstanden.

Koch wiederum brachte auch die Tolerierung einer schwarz-gelben Minderheitsregierung durch die Grünen ins Gespräch, falls eine große Koalition nicht zustande komme. Dies wies der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, jedoch zurück.

© SZ vom 4.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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