Nachruf:Soldat Christi

Lesezeit: 2 min

Der Friedensaktivist und Theologe Daniel Berrigan ist gestorben. Er war der bekannteste Jesuit des 20. Jahrhunderts.

Von Willi Winkler

Die Jesuiten gelten traditionell als Speerspitze der Reaktion. Ihr Gründer Ignatius von Loyola war als Soldat verwundet und dann fromm geworden. 1537, als sich die lutheranische Revolution über ganz Europa auszubreiten drohte, gründete er den Orden der Jesuiten und gelobte dem Papst soldatischen Gehorsam im Geist der Gegenreformation. Mit diesem Geist, ihrem Wissen und ihrem diplomatischen Geschick konnten sich die Jesuiten einflussreiche Positionen an mehreren europäischen Höfen verschaffen.

Daniel Berrigan , 1921 in eine irisch-deutsche und entsprechend katholische Familie geboren, wurde der bekannteste Jesuit des 20. Jahrhunderts und blieb, wie es die Ordensregel vorschrieb, sein Leben lang ein Soldat Christi. Während aber andere bereitwillig zu den Waffen griffen und sie auf Wunsch auch segneten wie der New Yorker Kardinal Spellman, wandte sich Berrigan mit seinem Bruder Philip gegen jede Form von Krieg.

Daniel Berrigan studierte Theologie und beschäftigte sich als Professor an den Universitäten von Syracuse, Cornell und zuletzt in New York mit der Auslegung des Neuen Testaments. Mehr noch als die Bergpredigt muss ihn in den Fünfzigerjahren bei seinem Aufenthalt in Frankreich das Wirken der dortigen Arbeiterpriester beeindruckt haben. Berrigan begann früh, Gedichte zu veröffentlichen, er hatte alle Aussichten als hermetischer Dichter in der Literaturgeschichte abgelegt zu werden, aber das amerikanische Engagement in Südostasien drängte ihn zum Widerstand.

Die Brüder Berrigan wurden aufrechte Gesetzesbrecher. Am 17. Mai 1968 stürmten die beiden Patres mit sieben weiteren Freunden das Rekrutierungsbüro in Catonsville in der Nähe von Washington D.C., nahmen die Wehrakten an sich und verbrannten sie unten im Hof. Als geschickte Propagandisten hatten sie dafür gesorgt, dass das Feuer zu Hause ähnlich brannte wie das Napalm, das die US Air Force in Vietnam so großzügig auf Frauen und Kinder verteilte. "Wir halten der katholischen und auch den anderen Kirchen einschließlich der Synagogen Amerikas vor, dass sie als Antwort auf die Verbrechen, die unser Land begeht, nur Schweigen und Feigheit kennen", erklärten die Jesuiten. "Nach unserer Überzeugung ist die religiöse Bürokratie in diesem Land rassistisch, sie kollaboriert mit dem Krieg und sie betrachtet die Armen als Feinde." Es musste erst der Sozialist Bernie Sanders kommen, dass in den USA wieder solche Sätze geäußert wurden.

Der Protest der Berrigans fand Unterstützung, denn die allgemeine Wehrpflicht zwang 1968 anders als heute nicht nur Schwarze und Arbeitslose in einen sinnlosen Zermürbungskrieg, sondern auch die Söhne der Bessergestellten. Wer sich nicht durchmogeln konnte wie ein späterer kriegsbegeisterter Präsident, musste damit rechnen, in Vietnam zu sterben. Die "Catonsville Nine" wurden, weil sie sich auf nichts anderes als ihr Gewissen berufen konnten, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Berrigan blieb seinem Glauben und seinem Pazifismus bis zuletzt treu. Am vergangenen Samstag ist Daniel Berrigan im Alter von 94 Jahren in New York gestorben.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: