Nach Entschädigungsklagen:Warschau stellt deutsch-polnischen Grenzvertrag infrage

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Polens Premier Kaczynski sieht in den Klagen der deutschen Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand gegen Warschau ein "ernstes Problem". Die Außenministerin kündigte "sehr klare Reaktionen" an - und ließ durchblicken, dass die Regierung möglicherweise den deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990 neu verhandeln will.

Die Angelegenheit erfordere "eine blitzschnelle Aktion" des Parlaments, sagte der nationalkonservative polnische Regierungschef Jaroslaw Kaczynski im polnischen Rundfunk. "Es muss eine klare Erklärung geben, dass Polen keinerlei Urteile anerkennt, die das polnische Recht in dieser Hinsicht erschüttern."

Fordert eine "blitzschnelle Aktion": Jaroslaw Kaczynski (Foto: Foto: Reuters)

Bei den jüngsten deutsch-polnischen Gesprächen in Berlin sei es auch um die Entschädigungsforderungen vertriebener Alteigentümer gegangen, sagte Kaczynski. "Aber hier herrscht völlige Sturheit. Die Deutschen wollen keiner Entscheidung zustimmen, die dazu führt, dass die Klagen an die deutsche Regierung gerichtet werden."

Es sei ein Fehler gewesen, dass im deutsch-polnischen Vertrag vor 15 Jahren dieses Problem nicht abschließend als innere Angelegenheit Deutschlands festgeschrieben worden sei, sagte Kaczynski.

"Klare Reaktionen"

Auf Ereignisse wie die Klage der Preußischen Treuhand müssten "sehr klare Reaktionen" folgen, sagte die polnische Außenministerin Anna Fotyga dem öffentlichen Rundfunksender Trojka. "Wir werden auf diese Weise reagieren."

Auf die Frage, ob damit eine Neuverhandlung des deutsch-polnischen Grenzvertrages von 1990 gemeint sein könnte, sagte Fotyga: "Ja, das ist genau das." Die Ministerin betonte zugleich, dass für eine Änderung des Abkommens beide Seiten eine entsprechende Entscheidung treffen müssten.

Bundesratspräsident Harald Ringstorff warnte dagegen während seines Polenbesuchs davor, die Klage der Alteigentümer überzubewerten. Kein ernst zu nehmender Politiker in Deutschland unterstütze die Klage, betonte er nach einem Treffen mit Senatspräsident Bogdan Boruszewicz.

Es gebe aber keine rechtliche Möglichkeit, die Klage von 22 Privatleuten zu unterbinden. "Dieses Problem kann nicht überschatten, was an guten Beziehungen zwischen Deutschland und Polen aufgebaut worden ist", so Ringstorff.

Klarer Verzicht auf Gebietsansprüche

Der am 14. November 1990 unterzeichnete deutsch-polnische Grenzvertrag bestätigte die im Görlitzer Abkommen von 1950 zwischen DDR und Polen sowie im Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und Polen von 1970 festgelegte Oder-Neiße-Grenze als endgültige Grenze zwischen beiden Ländern. Die Regierungen in Berlin und Warschau verzichteten in dem Abkommen auch für die Zukunft auf jegliche Gebietsansprüche.

Die Preußische Treuhand hatte am Freitag beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg 22 Klagen deutscher, nach dem Zweiten Weltkrieg Vertriebener auf Rückgabe ihres früheren Eigentums oder Entschädigungszahlungen eingereicht.

Die Bundesregierung distanzierte sich davon. In den letzten Monaten waren die Beziehungen zwischen Warschau und Berlin unter anderem auf Grund des auf deutscher Seite diskutierten Baus eines Vertriebenen-Zentrums angespannt.

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