Nach der Wiedervereinigung:Enteignung ehemaliger DDR-Bürger rechtswidrig

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Die Bundesrepublik hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Niederlage erlitten. Die ohne jegliche Entschädigung 1992 erfolgte Enteignung von früheren DDR-Bürgern verletzt nach Ansicht des Gerichts den Schutz des Eigentums. Die Bundesregierung muss nun mit einer Flut von Entschädigungsklagen und möglichen Kosten in Milliardenhöhe rechnen.

Das Eigentum ist in der Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats geschützt, die auch die Bundesrepublik ratifiziert hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Organ des Europarats und gehört nicht zur Europäischen Union.

Die DDR hatte in der so genannten Bodenreform Grundstücke an Bauern und Flüchtlinge - so genannte Neubauern - verteilt. Die erfolgreichen Kläger sind die Erben der damaligen Neubauern.

Mit seinem Urteil gab der Gerichtshof fünf ehemaligen DDR-Bürgern Recht, die entsprechende Grundstücke geerbt hatten, sie aber auf Grund des Abwicklungsgesetzes zur Bodenreform von 1992 ohne finanziellen Ausgleich an die neuen Bundesländer abtreten mussten.

Nach der Regelung durften nur diejenigen ihr geerbtes Land behalten, die selbst in der Land-, Forst- oder Nahrungsmittelwirtschaft tätig waren. Betroffen sind bis zu 70.000 Erben von Neubauern.

Der Gerichtshof billigte Deutschland zwar zu, dass sich der Staat durch die Wiedervereinigung in einer Sondersituation befunden habe.

Dennoch hätte der Gesetzgeber einen fairen Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz der individuellen Grundrechte schaffen müssen. Eine Enteignung ohne jegliche Entschädigung wäre nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt.

Mit seinem Urteil widerspricht das Straßburger Gericht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten die Enteignungsregelungen im November 2000 gebilligt.

Der Gerichtshof ließ offen, welche rechtliche Stellung die Landbesitzer vor der Wende hatten - damals galten bestimmte Einschränkungen für die Grundstücke. Jedenfalls habe ihnen die frei gewählte DDR-Volkskammer durch das "Modrow-Gesetz" vom März 1990 vollwertiges Eigentum zuerkannt. Deshalb hätte die Bundesrepublik ihnen nach der Wiedervereinigung zumindest eine Entschädigung zugestehen müssen.

(Aktenzeichen: 46720/99, 72203/01 u. 72552/01)

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