Nach dem SPD-Debakel:Und täglich grüßt der Roland

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Hessens Regierungschef Koch ist ein cooler Hund mit dem Image der Skrupellosigkeit. Trotz aller Niederlagen bleibt er immer irgendwie obenauf.

Cathrin Kahlweit

Er trat auf, als hätte er etwas gewusst - oder doch zumindest geahnt. Auf dem Landesparteitag der hessischen FDP am vergangenen Wochenende sprach Roland Koch lange und einfühlsam über: das Gewissen.

Roland Koch: Der Profiteur des SPD-Debakels. (Foto: Foto: dpa)

Der Gastredner und geschäftsführende Ministerpräsident ereiferte sich erst über den "Wortbruch, der dieses Land regieren" solle. Er wisse, fügte Koch betont nachdenklich hinzu, um das schlechte Image von Politikern, dann wandte er sich, fürsorglich fast, an die hessischen Abgeordneten im Allgemeinen und die der SPD im Besonderen: Jeder von ihnen trage Verantwortung, jeder habe ein Gewissen, jeder von ihnen wolle "auch wieder nach Hause", sprich, sich im Wahlkreis sehen lassen können.

Was Roland Koch meinte, war sonnenklar: Jeder hessische Sozialdemokrat, der am Dienstag für die Kooperation mit der Linkspartei stimmen würde, solle sich was schämen.

Nun mag es den einen oder anderen SPDler gegeben haben, der seinen Ohren nicht traute. Koch, dem seit seinen ausländerfeindlichen Wahlkämpfen das Image der Skrupellosigkeit anhaftet, forderte von anderen Abgeordneten, dem Ruf ihres Gewissens zu folgen? Offenbar wurde jetzt der Ruf Kochs zumindest in Wiesbaden gehört: Die vier Sozialdemokraten, die Andrea Ypsilanti die Gefolgschaft verweigern, gaben einhellig an, sie hätten sich aus Gewissensgründen für ein Nein entschieden.

Wie überraschend diese Entscheidung für die hessische CDU kam, wird sich erst noch weisen müssen. Offiziell hat der Regierungschef am Wochenende nur zweierlei getan: die letzten Kisten in der Staatskanzlei packen lassen, damit die mögliche Übergabe schnell vonstatten gehen könnte - und Spekulationen über seine Zukunft zurückgewiesen.

"Hessen regieren"

Seine Pressesprecher Dirk Metz witzelte schon genervt, Koch werde womöglich demnächst UN-Generalsekretär; tatsächlich wurde er zuletzt immer wieder als Bundeswirtschaftsminister oder als EU-Kommissar gehandelt. Nun, da er vorläufig im Amt bleibt, wird er weiter sagen können, er wolle in näherer Zukunft nur eines: Hessen regieren.

Dabei hatte es schon ein paar Mal so ausgesehen, als sei Koch am Ende. Zwar hatte er 1999 die damalige rot-grüne Landesregierung mithilfe einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft abgelöst. Aber kurz darauf flogen die als "jüdische Vermächtnisse" getarnten schwarzen Kassen der Hessen-CDU auf.

Koch beteuerte lange, von den Geheimkonten nichts gewusst zu haben, was zu glauben vielen schwerfiel - schließlich wussten enge Parteifreunde Bescheid, außerdem war er der starke Mann in der Landespartei, ohne den auch sonst nichts lief. Aber sei's drum: Koch versprach "brutalstmögliche Aufklärung" und kam davon.

In den vergangenen Jahren polierte er sein Image, weg vom Hardliner zum Finanzfachmann und verantwortungsbewussten Großkoalitionär, präsentierte sich in Berlin als Landesvater ohne höhere Ambitionen - und verlor doch bei den Landtagswahlen Anfang 2008 mit Pauken und Trompeten.

Weil die Umfragewerte für die Hessen-CDU nicht gut waren, hatte Koch ein zweites Mal die Ausländerkarte gezogen und über den laxen Umgang mit kriminellen, zugewanderten Jugendlichen spekuliert, was die Wähler ebenso wenig goutierten wie die hessische Schulpolitik. Koch verlor zwölf Prozentpunkte, und ein paar Stunden lang sah es am 27. Januar so aus, als könne er sich jetzt sofort in New York als Nachfolger für Ban Ki Moon bewerben. Doch am Ende hatte er ein paar hundert Wählerstimmen mehr als seine Konkurrentin Andrea Ypsilanti.

Ein strategischer Denker

An Montagmorgen tat der Ministerpräsident, was Ministerpräsidenten so tun, wenn sie ihren Amtsgeschäften nachgehen: Er war in Nordhessen unterwegs, wo er dem Vernehmen nach ein Logistikzentrum einweihte. Sollte er von der eigenen Abwahl ausgegangen sein, so ließ er sich das nicht anmerken. Dass ihn das Gezerre der letzten Wochen gebeutelt hat, war allenfalls zu spüren, als Koch auf seiner Pressekonferenz am Montagnachmittag, fast zögernd, sagte: "Einräumen und ausräumen ist nicht nur ein körperlicher Vorgang".

Ansonsten gab der CDU-Mann nicht viel von sich preis. Kein Wunder: In den Augen von Freund und Feind ist er das, was junge Leute einen coolen Hund nennen würden - ein strategischer Denker, der sich wohl, wie gern gewitzelt wird, auch beim Untergang der Titanic noch ruhigen Schrittes und mit ein paar rhetorisch glänzenden Sätzen auf die Suche nach einem Rettungsboot gemacht hätte. Aber vielleicht hatte er ja auch zuletzt einfach nur einen guten Instinkt für das, was kommen würde.

© SZ vom 04.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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