Nach dem Referendum:Korsische Separatisten antworten mit Terror

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Das Referendum zu mehr Selbstbestimmung auf Korsika ist gescheitert. Bereits kurz nach der Ablehnung durch das Volk kam es zu Anschlägen auf Ferienhäuser von Festland-Franzosen. Innenminister Sarkozy bezeichnete die Separatisten als Krebsgeschwür von Mafia und Gewalt.

Gerd Kröncke

(SZ vom 08.07.2003) - Nur wenige Stunden nach dem gescheiterten Referendum auf Korsika sind in der Nacht zum Montag wieder Anschläge verübt worden. "Es lebe Yvan", lautete ein Graffito an den Trümmern einer Villa.

Die Attentäter hatten gleichsam zu Ehren des am vergangenen Freitag festgenommenen mutmaßlichen Präfekten-Mörders Yvan Colonna gebombt. Vier Ferienhäuser in der Nähe von Colonnas Heimatort Cagèse, alle im Besitz von Festland-Franzosen, wurden zerstört.

Schneller als erwartet hatte die separatistische Korsische Nationale Befreiungsfront (FLNC) zugeschlagen. Damit erhöht sich die Zahl der Anschläge in diesem Jahr auf 138. Innenminister Nicolas Sarkozy hatte bereits am Abend zuvor "das Krebsgeschwür von Mafia und Gewalt" gebrandmarkt.

Erfolg und Niederlage

Sarkozys Coup hat nichts genützt. Die Festnahme Colonnas unmittelbar vor der Volksbefragung sollte der bisher größte Triumph seiner Amtszeit sein. Doch so dicht lagen Erfolg und Niederlage selten beieinander: Exakt 48 Stunden später war der Minister der Verlierer. Mit 50,98 Prozent hatten die Korsen in der Volksbefragung den Reformvorschlag der Regierung abgelehnt.

Auch wenn das Referendum nur konsultativen Charakter hat, in Paris deutelt niemand an dem Ergebnis herum. Die beiden Départements Haute-Corse und Corse-du-Sud werden nicht zusammengelegt, es wird kein neues Statut für die "Insel der Schönheit" geben, die Autonomie wird nicht ausgeweitet.

Sarkozy ist nicht der einzige Verlierer; die politische Klasse in Paris und auf Korsika war fast geschlossen für ein Ja eingetreten. Staatspräsident Jacques Chirac hatte in einem Interview für die Annahme des Referendums geworben, Premier Jean-Pierre Raffarin war zweimal, der Innenminister achtmal in einem Jahr nach Korsika geflogen, um die Bürger zu mobilisieren. Sarkozy zeigt noch in der Enttäuschung Stil.

"Eine persönliche Niederlage"

Er finde es übertrieben, von einer Niederlage der Regierung zu sprechen, sagte er, "es ist vor allem eine persönliche Niederlage für mich".

Dabei war die Beteiligung mit 60Prozent höher als bei der Präsidenten- und auch höher als bei der Parlamentswahl, in ländlichen Gegenden gab es sogar mehr Ja- als Neinstimmen. Den Ausschlag gaben die beiden wichtigsten Städte: Ajaccio und Bastia stimmten mit Nein.

Der Ex-Minister und Bürgermeister von Bastia, Emile Zuccarelli, der wegen der Korsika-Politik der Sozialisten die vorige Regierung verlassen hatte, ist einer der wenigen Gewinner. Der Radikalsozialist hatte stets betont, man dürfe den Separatisten keinen Fußbreit entgegenkommen. Ein Ja wäre in der Tat ein widersprüchliches Votum gewesen: Die Nationalisten und die in Paris regierende Mehrheit der Chirac-Partei UMP waren aus zu unterschiedlichen Motiven für die Veränderung.

Zuccarelli und seine Freunde sangen nach Bekanntgabe des Ergebnisses die Marseillaise und der Bürgermeister rief aus: "Wir Korsen sind Citoyens und Republikaner bis auf die Knochen."

Sozialisten als Verlierer

Zu den Verlierern gehören auch die Sozialisten. Sie hatten, unter Lionel Jospin, die nun gescheiterte Reform eingeleitet. Gleichwohl sucht Parteichef François Hollande die Schuld bei der amtierenden Regierung. Sie habe zu hastig agiert, hätte den Korsen mehr Zeit geben müssen.

Zudem hätten die Bürger mit ihrem Votum nicht auf die eigentliche Frage geantwortet, sondern der Regierung Rafferin unter anderem wegen ihrer umstrittenen Rentenpolitik einen Denkzettel erteilt.

Doch zeigt das Ergebnis auch, dass die Mehrheit der Inselbürger den Status quo erhalten und keine Experimente will - und dass die Separatisten, die eine Reform als erste Etappe auf dem Weg zur Unabhängigkeit sehen wollen, in der Minderheit bleiben. "Korsika braucht Bewegung und den Rechtsstaat", kommentierte Sarkozy, "den Rechtsstaat wird es haben, aber keine Bewegung."

Der Prozess in Paris gegen acht Angeklagte, denen Komplizenschaft mit Colonna, dem mutmaßlichen Mörder des korsischen Präfekten Claude Erignac, vorgeworfen wird, stand am Montag kurz vor dem Abschluss. Das Gericht entschied, das Verfahren trotz der Festnahme Colonnas fortzusetzen.

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