Nach dem Brexit:Linke wollen "Neustart" der EU

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Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken im Bundestag, will sich nicht nachsagen lassen, mit ihrer EU-Kritik nationalistische Ressentiments gegen Europa zu unterstützen. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa )

Sahra Wagenknecht will mit ihrer EU-Kritik keinesfalls nationalistische Ressentiments unterstützen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem Votum der Briten für ein Ausscheiden aus der EU ist nicht nur Labour-Chef der Jeremy Corbyn wegen seiner Europaskepsis in schweres Fahrwasser geraten. Auch in der deutschen Linkspartei verfolgt man genau, welche Lehren aus dem Brexit zu ziehen sind. Denn Kritik an Demokratiedefiziten der EU und mangelnder sozialer Ausrichtung gehört bei den Linken zum Standardrepertoire. In einem Boot mit nationalistischen Brexit-Befürwortern aber möchten sie nicht sitzen.

"Neustart" heißt das Zauberwort, das Linken-Chef Bernd Riexinger am Montag bemühte: "Wir brauchen eine neue Ausrichtung der Politik der EU." Das Brexit-Votum sei "eine Quittung" für die Austeritätspolitik der Kanzlerin. In Großbritannien aber würden auch "schräge Töne gegen Einwanderung" laut, mit denen die Linke sich "nicht gemein" machen dürfe. Bloß nicht zu nah ran an die Euroskeptiker - so ist das zu verstehen. Auf Nachfrage betonte Riexinger, linke Europapolitik müsse Distanz halten zu nationalistischen Tendenzen. "Ich glaube, dass die Frage eines Austritts aus der EU derzeit ganz stark besetzt ist von rechten Gruppen", sagte er. Die Linke sei "ganz schlecht beraten, sich auf diese Linie einzulassen."

Ansonsten aber fühlt die Linke sich bestätigt in ihrer EU-Kritik. Nötig seien nun 100 Milliarden Euro im Jahr für öffentliche Infrastruktur und Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit, so Riexinger. Die Kluft zwischen Arm und Reich müsse geschlossen, der "überholte Stabilitäts- und Wachstumspakt" beendet werden. Auch sei ein "solidarischer Umgang mit Flüchtlingen eine Existenzfrage für Europa".

Auch Sahra Wagenknecht, die als Finanzexpertin zu den schärfsten Euro-Kritikern der Linken gehört, will sich nicht nachsagen lassen, Ressentiments gegen Europa zu fördern. Vielmehr spiele die Brüsseler Administration Nationalisten in die Hände. "Das nationalistische Lager profitiert nicht von berechtigter EU-Kritik, sondern von der aktuellen Verfasstheit der EU", sagte sie der SZ. "Solange die Menschen die Brüsseler Institutionen als undemokratischen Machtapparat wahrnehmen, der vor allem die Interessen großer Konzerne und Banken bedient, haben die Anti-Europäer aller Couleur ein leichtes Spiel." Die EU habe "Marktfreiheiten in den Mittelpunkt gestellt" und Ländern mit Massenarbeitslosigkeit Sparpolitik diktiert. "Erst wenn die Mehrheit die europäische Einigung wieder mit wachsendem Wohlstand verbindet, wird sie ihre Unterstützung zurückgewinnen."

Für Wagenknecht sind das vergleichsweise versöhnliche Töne, die nicht allzu weit weg sind von jüngsten Aussagen der SPD. Und auch in der Frage linker Regierungsbereitschaft zeigte die Fraktionschefin sich zuletzt etwas milder. Auf die Frage des Spiegel, ob sie regieren wolle, sagte sie: "Ja sicher. Wir wollen dieses Land verbessern, und das geht aus der Regierung besser als aus der Opposition." Sofort folgten bekannte Bedingungen für eine Annäherung an die SPD: höhere Renten und Löhne, Bekämpfung der Steuerflucht. Der Weg zu einem linken Bündnis ist noch weit.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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