Münchner Sicherheitskonferenz:Ein neues Amerika spricht

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Die Europäer sollten die Chancen ergreifen, die ihnen Washington nach dem Machtwechsel bietet. Allerdings wird das neue Zeitalter nicht auf Knopfdruck beginnen.

Daniel Brössler

Der amerikanische Vizepräsident Joe Biden hat in München viele Dinge gesagt, die das Publikum gerne hört: Amerika werde seine Partner künftig um Rat fragen. Es werde seine Ideale nicht für die Sicherheit opfern, es werde nicht foltern. Vor allem hat Biden gesagt, es sei an der Zeit, den "Knopf für den Neustart zu drücken". Gemünzt war dieser Satz auf das Verhältnis zu Russland, doch in ihm bündelt sich die amerikanische Antwort auf die Sehnsucht der ganzen Welt.

Bis bald, Partner! Joe Biden bei seinem Abschied von der Sicherheitskonferenz in München. (Foto: Foto: ddp)

Nach einer Zeit, in der gar nichts mehr zu laufen schien, jedenfalls nicht mehr in die richtige Richtung, klingt Neustart wie ein Zauberwort. Bei der Sicherheitskonferenz in München entfaltete es eine wohltuend befreiende Wirkung. Wer aber glaubt, dass nach der Ära der Zwietracht nun sogleich ein Zeitalter der Eintracht anbrechen wird, wiederholt einen Fehler von George W. Bush: Er überschätzt die Macht Amerikas.

Angebote an Moskau und Teheran

Mindestens zwei, sehr unterschiedliche Beispiele belegen das anschaulich: Russland und Iran. Den Russen hat Biden Zusammenarbeit in vielen Bereichen angeboten.

Im Kampf gegen den Terror etwa, aber auch bei der Abrüstung. Das hat auch Bush schon getan - allerdings in zuletzt feindseliger Atmosphäre, ohne ausreichenden Bezug zur Wirklichkeit.

Gewiss wirkt die neue US-Regierung nun glaubwürdiger, wenn sie die Hand ausstreckt. Auf der anderen Seite aber steht eine russische Führung, die die alte ist. Bislang reagiert sie, wie es zu erwarten war: beschränkt. Zwar vernimmt Moskau erfreut die neuen Töne aus Washington, doch die Freude über amerikanische Schuldbekenntnisse ist billig.

Pragmatische Zusammenarbeit oder echte Partnerschaft

Wertvoll hingegen wäre das Eingeständnis eigener Mängel. Nur dies könnte den Weg öffnen für einen wirklichen Neuanfang in den russisch-amerikanischen Beziehungen. Von einer Demokratie, zumal von einer in neuem Glanz wie der amerikanischen, fühlt sich eine Autokratie wie Russland immer bedroht. Das steht pragmatischer Zusammenarbeit nicht entgegen, wohl aber echter Partnerschaft.

Auch in Sachen Iran bot die Sicherheitskonferenz das Bild einer Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung. Das von Biden erneuerte Gesprächsangebot an die Führung in Teheran mag das Tor zu einer friedlichen Lösung zeigen. Der Schlüssel dafür aber liegt in Iran. Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani hat sich in München hochmütig und halsstarrig präsentiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, weshalb die USA im Umgang mit Iran sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche brauchen werden.

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Das belegt freilich nur, dass der Teheraner Machtkampf darüber noch nicht entschieden ist, ob 30 Jahre nach der Ajatollah-Revolution der teure Feind Amerika noch das Risiko eines Krieges wert ist. Vor der iranischen Präsidentenwahl im Juni werden die USA wohl allenfalls hinter den Kulissen mit der Führung in Teheran reden können. Dabei werden sie Zuckerbrot reichen, die Peitsche aber nicht aus der Hand geben.

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Das neue Amerika überprüft alte Gewissheiten, stellt sie aber nicht alle zur Disposition. Jene zum Beispiel, dass letztlich militärische Stärke Amerikas Stellung garantiert. In der Praxis heißt das etwa, dass das Programm für eine Raketenabwehr nicht einfach fallengelassen, aber einer nüchternen Prüfung unterzogen wird.

Mehr noch als das Pathos des Aufbruchs ist es diese Nüchternheit, die den Europäern Mut machen sollte. Nicht Ideologie, sondern gesunder Menschenverstand leitet die neue US-Regierung. Dafür braucht sie kein Gefolge, sondern Partner - in Afghanistan, zur Schließung des Lagers Guantanamo und eben auch im Umgang mit Russland und Iran.

Amerika werde mehr tun, hat Biden gesagt. Das sei die gute Nachricht. Amerika werde aber auch mehr verlangen. Eine schlechte Nachricht muss das nicht sein für jene, die Verantwortung übernehmen wollen. Ungeachtet der Egozentrik einzelner Staatschefs (Frankreich) oder alberner Hänseleien wahlkämpfender Koalitionäre (Deutschland) muss die Chance ergriffen werden. Ein neues Zeitalter beginnt nicht auf Knopfdruck.

© SZ vom 9.2.2009/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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