Muammar el Gaddafi in Brüssel:Staatsbesuch mit Berberzelt

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Erstmals seit 15 Jahren besucht der libysche Revolutionsführer ein westliches Land: Gaddafi wird sich in Brüssel mit dem EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und dem außenpolitischen Beauftragten des EU-Ministerrats, Javier Solana, treffen. Nach seiner Absage an den Terrorismus sucht Gaddafi engeren Anschluss an die EU. Übernachten wird er in seinem eigenen Zelt.

Der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi trifft heute zu einem zweitägigen Besuch in Brüssel ein. Auf dem Programm des ersten Staatsbesuchs Gaddafis in einem westlichen Land seit 15 Jahren stand zunächst ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Romano Prodi.

Im Anschluss war eine Unterredung mit dem belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt geplant. Eine Pressekonferenz war nicht vorgesehen. Gaddafi und Prodi wollten aber eine schriftliche Erklärung abgeben.

Libyen ist entschlossen, dem Partnerschafts- und Handelsabkommen der EU mit den Anrainern des Mittelmeers beizutreten. Dem müssen die EU-Staaten zustimmen. Gaddafi hat sich bereiterklärt, alle Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zu beenden.

Die EU-Kommission will auf eine "volle Normalisierung der Beziehungen" hinarbeiten.

Libyen erwartet Aufhebung der Handelsbeschränkungen

Der libysche Wirtschafts- und Handelsminister Abdelkadir Umar Bilchair hat die Europäische Union aufgerufen, nach dem Vorbild der USA jetzt alle Handelsbeschränkungen gegenüber Libyen aufzuheben.

"Wir hätten diesen Schritt von Europa eigentlich viel früher erwartet. Libyen hat die meisten Verpflichtungen erfüllt", sagte Bilchair dem Handelsblatt. "Europa schadet sich selbst, wenn es die Lieferungen von Hightech-Produkten erschwert. Nehmen Sie doch nur das Beispiel Flugzeuge oder Ersatzteile für die Ölindustrie", sagte der Minister.

Bilchair betonte, es gehe der libyschen Regierung nicht um das Waffenembargo. "Die Beziehungen sind auf gutem Wege. Das ist nur noch eine Frage der Zeit. Wichtiger als das Waffenembargo ist für uns, dass wir wieder Hochtechnologie einführen können", sagte er. "Wir müssen die Unterentwicklung bekämpfen. Dafür brauchen wir Partner, nicht Waffen", erklärte der Handelsminister.

Bei den Treffen mit Gaddafi dürften auch die strittigen Entschädigungsleistungen für die Opfer des Anschlags auf die Berliner Diskothek "La Belle" im Jahr 1986 zur Sprache kommen. Gaddafi hatte im Dezember den Verzicht seines Landes auf Massenvernichtungswaffen erklärt und seitdem bereits mehrere europäische Regierungschefs in Tripolis empfangen.

Die Vorbereitungen für den Besuch hatten am Montag für Wirbel gesorgt. So wurde auf dem Grundstück des Anwesens Val Duchesse außerhalb Brüssels ein Zelt für Gaddafi errichtet, in dem der Revolutionsführer übernachten will.

Damit verschmäht Gaddafi die luxuriösen Gemächer im Schloss Val Duchesse, die ihm die belgische Regierung wie jedem Staatschef zur Verfügung stellt.

Gaddafi nutzt sein Berberzelt seit Jahren für politische Gelegenheiten. Erst im Januar empfing er dort eine US-Delegation bei einem historischen Treffen in Tripolis. Mit dem Zelt will er ein Zeichen setzen: Die frühere Residenz Gaddafis zerstörten die USA vor 18 Jahren. Auch bei Besuchen in arabischen Ländern kampierte der als exzentrisch bekannte Staatschef bereits im Garten von Luxushotels.

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