Mounir el-Motassadeq:Gottesfürchtig und sittenfest

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Welche Rolle Mounir el-Motassadeq bei den Anschlägen vom 11. September gespielt hat ist umstritten. Die Ankläger sehen in dem Marokkaner den Statthalter der Todesflieger.

Von Hans Leyendecker

München - Am Mittwoch dieser Woche bekam Mounir el-Motassadeq, der in Hamburg inhaftiert ist, Besuch von seinen beiden deutschen Anwälten. Das Gespräch drehte sich um die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über den Revisionsantrag gegen den angeblichen Terrorhelfer, die am nächsten Tag anstand. Motassadeqs Verteidiger Josef Gräßle-Münscher, ein linker Katholik, sagte zum Abschied: "Wir haben alles getan, was man tun konnte -Inschallah." Das heißt übersetzt: Wenn Allah will. Motassadeq antwortete mit einem frommen Spruch.

Welche Rolle der 29 Jahre alte Motassadeq, der in erster Instanz wegen Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, bei den Vorbereitungen zum 11.September 2001 wirklich spielte, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Freunde und Feinde sind sich nur in einem einig: Motassadeq ist ein gottesfürchtiger Muslim. Der marokkanische Arztsohn ist aufgewachsen in den Gassen von Marrakesch, und der Vater achtete darauf, dass der Sohn streng religiös erzogen wurde.

Nur weil die Eltern ihn für sittenfest hielten, ließen sie ihn zum Studium nach Deutschland ziehen. Ende 1993 kam er an und lernte in Münster Deutsch. In seiner Freizeit spielte er Fußball beim FC Gievenbeck in der Kreisliga. In Erinnerung ist den Sportkameraden geblieben, dass Motassadeq spindeldürre Beine hatte, den Ball ungern abgab, viele Tore schoss und beim Duschen eine Badehose trug. Nebenbei arbeitete er als Küchenhilfe in einem Gasthof in Münster-Roxel.

Generalvollmacht für Todespiloten

Knapp zwei Jahre nach seiner Einreise erhielt Motassadeq einen Studienplatz an der TU in Hamburg-Harburg, Fachrichtung Elektrotechnik. Er lebte in einem Studentenheim, arbeitete nebenher am Flughafen in Hamburg und lernte 1996 in der Hamburger Muslim-Szene den Ägypter Mohammed Atta kennen.

Der spätere Anführer der Todesflieger vom 11. September hetzte gegen das "Weltjudentum" und gab sich gottesfürchtig. Mit seinem Freund, dem Landsmann Abdelghani Mzoudi, unterschrieb Motassadeq 1996 das Testament Attas. Später behauptete Motassadeq, es habe sich um einen Vordruck gehandelt, der in den Moscheen kursierte und ergänzt worden sei. In der Wohnung Marienstraße 54 traf er sich gelegentlich mit Atta und Ramsi bin al-Schibb und war bei Veranstaltungen dabei, bei denen Lobgesänge auf den Heiligen Krieg angestimmt wurden. Seit 1998 hatte er eine notarielle Generalvollmacht für den späteren Todespiloten Marwan al-Schehhi, einen Freund.

Motassadeq wurde, da er Kontakte zu einem anderen islamistischen Extremisten unterhielt, vom Verfassungsschutz überwacht, aber den Ermittlern entging, dass er 2000 nach Afghanistan in ein Ausbildungslager reiste. Während sich Atta und seine Freunde auf den Massenmord vorbereiteten, blieb Motassadeq in Hamburg, verwaltete Schehhis Konto, regelte Mietangelegenheiten oder übernahm die Abmeldung eines Handys.

Aus Sicht der Bundesanwaltschaft war er Statthalter der Hamburger Todesflieger; Motassadeq indes beteuerte stets, nur Freundschaftsdienste erledigt zu haben. Seit 2000 ist er mit einer Russin verheiratet, die zum Islam konvertiert ist. Sie haben eine dreijährige Tochter und einen zweijährigen Sohn. Neben den Anwälten waren die drei in den vergangenen Monaten die einzigen Besucher des Marokkaners.

© SZ vom 5.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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