Mord auf dem Meer:Griechenland weist Vorwurf von Flüchtlingen zurück

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Das griechische Marine-Ministerium nennt die Behauptung, die Küstenwache habe Migranten ins Wasser geworfen, "frei erfunden".

Kai Strittmatter

Die griechische Regierung hat die schweren Vorwürfe von illegalen Migranten gegen ihre Küstenwache zurückgewiesen. Die Migranten waren am Dienstagmorgen an einem Küstenstreifen in der Nähe der türkischen Stadt Izmir aufgegriffen worden.

Sie sagten aus, sie seien wenige Stunden zuvor auf der griechischen Insel Chios festgenommen und anschließend von einem Boot der griechischen Küstenwache 100 Meter vor der türkischen Küste ins Wasser geworfen worden.

Mindestens sechs Menschen aus der Einwanderer-Gruppe waren beim Versuch, an Land zu schwimmen, umgekommen. Ihre Leichen wurden mittlerweile beigesetzt.

In einer Erklärung des griechischen Handelsmarine-Ministeriums heißt es, die Vorwürfe gegen die griechische Küstenwache seien erfunden. "Wir dementieren die Beschuldigungen." Die UN kündigten an, sie wollten den Vorwürfen nachgehen.

Das Flüchtlingshilfswerk der UN (UNHCR) bat beide Regierungen um eine Untersuchung. "Bevor die Fakten klar sind, können wir nicht sagen, ob die Behauptungen wahr sind oder nicht", sagte Metin Corabatir, der Sprecher des türkischen UNHCR-Büros, der Süddeutschen Zeitung.

Außerdem wolle seine Organisation selbst die Betroffenen befragen und warte auf eine Erlaubnis der Türkei. Die 31 Überlebenden aus dem Irak, dem Libanon, Tunesien und den Palästinensergebieten befinden sich im Gewahrsam der türkischen Behörden.

"Wir bedauern es, dass Menschen ums Leben gekommen sind", sagte UNHCR-Sprecher Corabatir. Aber selbst wenn noch unklar sei, wer Schuld daran habe, sei nun "nicht die Zeit für gegenseitige Anschuldigungen" zwischen der Türkei und Griechenland: "Wir brauchen dringend bessere Mechanismen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. Beide Länder müssen sich zusammensetzen."

Jedes Jahr versuchen Tausende Menschen aus Krisenregionen weltweit über die Türkei in die EU zu gelangen. Die türkische Küste bietet sich als Sprungbrett für Menschenschmuggler und Flüchtlinge an, da die griechischen Inseln - und damit EU-Territorium - oft in Sichtweite liegen.

Die Insel Chios und die türkische Karaburun-Halbinsel, wo die Überlebenden vom Dienstag aufgegriffen wurden, liegen nur acht Kilometer auseinander. Die Türkei hat im Zuge ihrer Bemühungen um den EU-Beitritt den Kampf gegen den Menschenschmuggel verstärkt. Offiziellen Zahlen zufolge haben die Behörden 2005 mehr als 57.000 Migranten und mehr als 6000 Menschenschmuggler festgenommen.

Athen beklagt sich dennoch über die "nicht zufriedenstellende" Kooperation mit den Türken - vor allem was die Rücknahme von Flüchtlingen angeht, die auf griechischem Boden gefasst wurden: Von 22.000 Anträgen auf Rückführung habe die Türkei nur 1400 akzeptiert.

Der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Namik Tan, wiederum klagt, die griechische Küstenwache würde immer öfter Flüchtlinge heimlich zurück in türkische Gewässer bringen und dort aussetzen.

Die griechische Polizei entdeckte am Donnerstag 87 Flüchtlinge aus Bangladesch und Pakistan in einem Lagerhaus westlich von Athen, die von Schleusern gefangengehalten wurden.

Die Flüchtlinge waren vor einer Woche über die türkische Grenze gebracht worden. Die Polizei nahm sechs Schleuser fest.

© SZ vom 29.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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