Möllemann:Die Wut der Witwe

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Carola Möllemann erhebt schwere Vorwürfe gegen die FDP-Führung und schickt deren Beileidsschreiben ungeöffnet zurück.

Hans Leyendecker

(SZ vom 11.6. 2003) - Die Studienrätin Carola Möllemann-Appelhoff kennt sich im Innenleben der FDP besser als die meisten Chronisten und Leitartikler aus.

Mit ihrem Mann Jürgen W. Möllemann ist sie Dutzende Male als Delegierte zu FDP-Parteitagen gefahren, mit ihm besuchte sie am Wochenende die Genschers daheim in Bonn-Pech und sie ließen am Swimmingpool, mit einem Glas Campari in der Hand, die Erdkugel tanzen.

Seit langem schon sitzt sie für die Partei im Stadtrat zu Münster und das Leben drehte sich auch daheim oft um Politik. Die vielen politischen Aufs und Abs des Mannes, mit dem sie seit 1975 verheiratet war, hat sie erlebt und manchmal auch durchlitten.

Der 57-Jährige wusste, meist zumindest, was er an ihr hatte: Sein blauer Audi hatte die Buchstabenkombination MS-CM (C steht für Carola, M für Möllemann), auf seinen Schreibtischen in Düsseldorf und Berlin stand ihr Foto und als er im November 2002 dem Stern ein Interview gab, räumte er recht kleinlaut ein, dass er seine Frau nicht über die Aktion mit dem Flyer vorab unterrichtet habe.

Sie hätte ihn, vermutlich, gestoppt.

Berge von Kondolenzpost

Seit dem Mittag des 5. Juni ist Carola Möllemann Witwe. Jetzt sitzt sie mit den drei zwischen 23 und 36 Jahre alten Töchtern im Trauerhaus in Münster-Gievenbeck und täglich schleppt der Postbote Berge von Kondolenzschreiben an. Meist öffnet eine ihrer vier Schwestern die Tür und nimmt die Briefe entgegen.

"Möge Ihr Schmerz Linderung erfahren", schreibt mit formvollendetem "stillen Gruß" der Kommunikationsunternehmer Moritz Hunzinger, und nicht so PR-erfahrenen Leuten fällt nur einfaches ein: "Es tut mir so leid". Sie liest das meiste.

Weil die Fahnder bei der Durchsuchung am Donnerstag in den Büros Möllemanns im Computer gespeicherte Unterlagen mitgenommen haben, mühen sich die Familie und Freunde, über Internet und Telefonbuch die Adressen derjenigen zu ermitteln, die eine Traueranzeige bekommen sollen.

Natürlich sind auch die Paparazzi da, die auf ein Foto warten. Über die Pfingsttage, als ein Unwetter über Münster tobte, ist Carola Möllemann unbemerkt von den Fotografen zur Trauerhalle gefahren.

Ungeöffnet zurück

Aber diese Witwe ist keine Dulderin, sie kann austeilen, wie auch ihr Mann austeilen konnte. Einen Teil der Trauerbriefe hat sie ungeöffnet zum Postamt zurückbringen lassen.

Muss sie lesen, was die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper ihr mitzuteilen hat oder was Parteichef Guido Westerwelle eingefallen ist?

Dieselben, die ihn aus der Partei jagten, schreiben jetzt, sie würden ihn "stets ehrenvoll im Gedächtnis behalten". In den beiden Münsteraner Lokalblättern erschien gestern eine Todesanzeige der Witwe und der Töchter Anja, Maike und Esther:

"Wie sollen wir ohne ihn weiterleben? - Werden uns diejenigen Rechenschaft geben, die auf niederträchtige Weise versucht haben, sowohl den Menschen Jürgen W. Möllemann wie auch sein politisches Lebenswerk zu zerstören, für das er mehr als 30 Jahre leidenschaftlich mit Herz und Seele gekämpft hat?"

Wie sollen die Westerwelles Rechenschaft ablegen?

Austeilen und Nehmen

Die Wahrheit ist, dass Möllemann und die anderen sich nichts geschenkt haben.

Einen "Selbstmordattentäter", hat ihn Otto Graf Lambsdorff genannt und sich gefragt, ob der Möllemann "noch normal ist". Normal in der FDP war, dass der rechtskräftig wegen Steuerdelikten verurteilte Graf Ehrenvorsitzender wurde und der unter Anfangsverdacht stehende Möllemann die Partei verlassen sollte.

Als "Quartalsirrer", "intrigantes Schwein", "Charakterschwein" wurde er von FDP-Granden bezeichnet. Zu Lebzeiten Möllemanns ging es in der FDP milieugemäß zu. Aber auch er hat ganz schön ausgeteilt:

"Schnarchender Löwe" (über Ex-Parteichef Wolfgang Gerhardt), "schlappe Nudel, kein bisschen al dente" (auch Gerhardt). Ex-Außenminister Klaus Kinkel war der "Kinkelstein am Hals der FDP". In seinem im März erschienen Buch "Klartext" machte er sich zu einer politischen Vendetta auf: "Dr. Westerwelle: Wenn ihn niemand treibt, treibt er nichts."

Ein Weichei, aber voller Heimtücke, heißt es dort. Sein Ziehvater Hans-Dietrich Genscher: Ein feiger Despot, getrieben von Eitelkeit. "FDP ade" lautete die Überschrift des vorletzten Kapitels. Und dennoch hat er darunter gelitten, dass er für die da oben zum Outcast geworden war, obwohl er sich ihnen immer noch überlegen fühlte.

In diesem politischen Spiel ist niemand nur Opfer oder Täter. Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Anwalt Peter Gauweiler hat sich ausgerechnet in der Bild zu Wort gemeldet: Möllemann sei Unrecht widerfahren. Gauweiler macht die Staatsanwälte als Schuldige aus. Mit einer "Hundertschaft von Untersuchungsbeamten" habe "die Staatsmacht dem Vizekanzler a. D. aufgelauert." Das alles wegen "einer Sache, die als Strafbefehl hätte erledigt werden können." Ohne Kenntnis der Akten werden, wie man hier sieht, die fixesten Urteile gefällt.

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