Mittelmeer:Machen, was die EU nicht hinkriegt

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Die Sea Watch auf Kurs bringen, kostet Harald Höppner, 41, viel Einsatz. Er will der Politik zeigen, wie schnell sich etwas tun lässt, wenn man will. (Foto: oh)

Der Brandenburger Harald Höppner will nicht länger zusehen, wie Tausende auf dem Weg nach Europa ertrinken. Mit einigen Mitstreitern und einem Kutter will er Flüchtlinge retten.

Von Andrea Bachstein, München

Noch dümpelt der Kutter mit dem altmodisch geschwungenen Rumpf in Hamburg-Harburg am Kai, er wird umgerüstet, noch heißt er Go 46. Am 27. März aber wird er umgetauft in Sea Watch, da wird Harald Höppner natürlich dabei sein. Und auch Mitte Mai, wenn die Sea Watch weit südlich von Hamburg unter deutscher Flagge ihren Dienst antreten soll: als privates Rettungsschiff im Mittelmeer. Ihr Name ist Programm, die Besatzung der Sea Watch, vier bis acht Leute, soll zwischen Malta und Libyen Ausschau halten nach Flüchtlingen in Not, die von Nordafrika übers Meer nach Europa gelangen wollen. Höppner und ein paar Freunde haben sich das ausgedacht, ein Dutzend Leute sind sie jetzt. Nur, wie kommt einer im Brandenburgischen Barnim auf die Idee, ein Schiff ins Mittelmeer zu schicken, der von sich sagt, "ich bin eine 100-prozentige Landratte"?

Alles fing im November an, als der 41-jährige Höppner die Berichte zum 25. Jahrestag des Mauerfalls sah. "Da waren die DDR-Flüchtlinge alle Helden und ihre Fluchthelfer im Westen auch. Und dann gibt es Millionen Flüchtlinge aus Syrien oder Kobanê, die keine Chance haben, weil es jetzt eine Mauer um Europa gibt. Um nach Deutschland zu kommen, da müsste ein Flüchtling ja praktisch vom Himmel fallen. Das finde ich ungerecht." Harald Höppner sagt, zuerst sollten die Menschen herkommen können, dann werde über Asyl für sie entschieden, da vertraue er dem Rechtsstaat.

Es gehe ihnen nicht um Politik, das Engagement sei rein menschlich: "Ich will nicht, dass einer sterben muss, weil er eine Grenze übertreten will." Vergangenes Jahr kamen mindestens 3000 Menschen auf der Flucht übers Mittelmeer um, dieses Jahr könnten es 5000 werden, befürchtet er. Sie überlegten, was sie selbst tun könnten, und fanden, ein Schiff sei das richtige "Werkzeug". Nicht in erster Linie, um Menschen aus dem Wasser zu holen, sondern vor allem, um sie zu finden und die Seenotrettung zu alarmieren. Und während die EU sich nicht zu einem Seenotrettungssystem durchringen kann, fackelten Höppner und seine Freunde nicht lang. Im Dezember kauften sie den Kutter in Holland, einen Veteranen von 1917, aber 2014 hergerichtet. 60 000 Euro kostete das Schiff, ungefähr noch mal so viel die Umrüstung. Höppner und zwei Mitstreiter haben je 50 000 Euro gegeben.

"Wir sind keine Millionäre", sagt er, der in Berlin zwei Einrichtungsläden und Internethandel betreibt, "ich habe dafür gespart." Aber es gehe um den Preis eines höheren Mittelklassewagens, und den brauche er nicht. Viele könnten das ausgeben, meint er, und hofft auf Nachahmer. "Ich möchte, dass wir nicht alleine sind." Deshalb gehört zum Projekt Sea Watch, dass das Schiff nicht nur Rettungs-, sondern auch Kommunikationsinsel wird. Sie wollen Bilder und Geschichten verbreiten von dem, was im Mittelmeer passiert, damit die Leute begreifen, was die Politik bislang nicht zu erklären verstehe. "Wer durch die Sahara gelaufen ist und dann in Libyen 250 Kilometer entfernt von Europa steht, dreht nicht mehr um." Die Flüchtlinge könne Europa nicht aufhalten, ist der Brandenburger überzeugt, "das Einzige, was Europa noch entscheiden kann, ist wie viele von ihnen sterben".

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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