Mittelmeer:Helfer an der Kette

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Aus dem Verkehr gezogen: das Rettungsschiff der katalanischen Organisation „Proactiva Open Arms“ im Hafen von Pozzallo, Sizilien. (Foto: Alessio Tricani/AP)

Die italienischen Behörden gehen immer härter gegen Hilfsorganisationen vor, die Migranten aus Seenot retten. Jetzt hat die Justiz in Sizilien ein Schiff beschlagnahmt.

Von Oliver Meiler, Rom

Im Hafen von Pozzallo auf Sizilien liegt ein Schiff mit einer schönen Losung am Bug: "Open Arms" steht da in fetten, roten Lettern, offene Arme. Es liegt an einer Kette, beschlagnahmt von der Polizei.

Das Schiff gehört der katalanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms und war eines der letzten, das noch auf der Route durch das zentrale Mittelmeer kreuzte und Flüchtlinge rettete, die auf dem Weg nach Europa in Seenot gerieten. Nun wird die Organisation beschuldigt, eine "kriminelle Vereinigung" zu sein, die Beihilfe zur illegalen Einwanderung leiste. Darauf stehen bis zu zwölf Jahre Haft. Der Vorfall, der zur Beschlagnahmung führte, liegt einige Tage zurück: Etwa 73 Seemeilen vor Libyens Küste entdeckte Open Arms am vorigen Freitag mehrere überladene Schlauchboote mit insgesamt 218 Migranten, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Die Crew kontaktierte die Koordinationsstelle für die Seenotrettung in Rom, die für die Zone zuständig ist, um die Bewilligung zu erhalten. So sieht es die Praxis vor.

Aus Rom aber hieß es, die libysche Küstenwache befinde sich vor Ort, sie übernehme die Rettung. Open Arms insistierte: Die Libyer, sagte die Crew, seien aggressiv und behandelten die Flüchtlinge schlecht. Gerade hätten sie mit Waffengewalt gedroht: "Gebt uns die Migranten, ihr habt dreißig Sekunden Zeit, sonst bringen wir euch alle um." Es gibt ein Video der Szene, man hört die Drohung ganz deutlich. Rom blieb hart. Die Helfer holten die Flüchtlinge trotzdem zu sich an Bord und fuhren Richtung Norden.

Als sie Malta passierten, kam aus Rom die Aufforderung, dort zu landen, Valletta sei der nächste sichere Hafen. Das Schiff von Open Arms stoppte kurz, damit zwei Passagiere mit Problemen an Land gehen konnten, und fuhr weiter. Nun fragte die Besatzung nach, welchen italienischen Hafen sie ansteuern solle. Die Koordinationsstelle in Rom zierte sich: Die Organisation möge sich mit der spanischen Regierung in Verbindung setzen, hieß es. Das war eine protokollarische Premiere. Erst als sich Madrid einschaltete, wies Rom der Open Arms den Hafen von Pozzallo an. Kaum war das Schiff dort angekommen, wurde es festgesetzt.

Der Staatsanwalt wirft manchen Helfern vor, mit libyschen Schleppern zu kooperieren

Veranlasst hatte die Beschlagnahmung Carmelo Zuccaro, der Staatsanwalt von Catania, der schon oft von sich reden machte. Er gibt sich überzeugt, dass manche Hilfsorganisationen mit libyschen Schleppern zusammenarbeiten. Beweise dafür gibt es bisher keine. Oscar Camps, der Chef von Open Arms, sagte bei einer Medienkonferenz in Barcelona, Zuccaros Anklage überrasche ihn nicht. In Italien hätten Populisten die Wahlen gewonnen, das passe alles ins allgemeine Klima: "Humanitäre Solidarität gilt jetzt als Strafbestand." Einer der Wahlsieger, Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, schrieb auf Twitter: "Endlich stoppt ein Staatsanwalt den Menschenhandel. Ich gehe zu Fuß nach Catania, um ihn kennenzulernen." Der andere Wahlsieger, Luigi Di Maio von der Protestpartei Cinque Stelle, nannte die NGO-Schiffe einmal "Taxi der Meere".

Der immer schärfere Tonfall wurde auch davon befeuert, dass die europäischen Partnerstaaten Italien lange Zeit allein ließen mit dem Flüchtlingsstrom. Vor einem Jahr handelte die italienische Regierung dann einen kontroversen Deal mit Tripolis aus. Ziel war es, die Zahl der Überfahrten zu senken. Dafür bilden die Italiener auch libysche Küstenwächter aus. Und die Zahlen gingen tatsächlich drastisch zurück: Seit Jahresbeginn 2018 zum Beispiel sind nach offiziellen Angaben 6161 Migranten auf dem Seeweg nach Italien gekommen; im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 15 563 gewesen.

Was mit den Migranten passiert, die nicht ablegen können oder von der libyschen Küstenwache zurückgedrängt werden, ist nicht so klar. Die Auffanglager in Libyen gelten als Orte der Folter und des Schreckens.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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