Mittelmeer:Granaten zu Pflugscharen

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Im Mai brachte die Rhein vor Libyen ein Motorboot mit Waffen auf. Seitdem wird die Verantwortung für den Fund hin- und hergeschoben. (Foto: Bundeswehr/Ricarda Schönbrodt)

Was tun mit geschmuggelten Waffen, die vor Libyens Küste aufgebracht wurden? Diese Frage beschäftigt die Europäische Union.

Von Lena Kampf, Brüssel

Das Motorboot El Mukhtar erschien am 1. Mai auf dem Radar des deutschen Tenders Rhein, der das Mittelmeer vor der libyschen Küste kreuzte. Die Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen der EU-Marine-Mission "Sophia" zur Seenotrettung von Flüchtlingen auch Waffenschmuggel nach Libyen verhindern sollen, schickten ein Team los, um die El Mukthar zu kontrollieren. Die Besatzung, unter libyscher Flagge, ließ sich ohne Widerstand durchsuchen. Unter Deck fanden die Soldaten: Maschinengewehre, Mörser, Panzerfäuste, Granaten und Munition. Es dauerte Stunden, das konfiszierte Kriegsgerät auf den Tender zu verfrachten. Die Bundeswehr meldete den Fund stolz ans Hauptquartier: Ihr war der erste große Fang gelungen.

Zum ersten Mal wurde auf dem Mittelmeer eine Waffenlieferung verhindert, von der Sicherheitsbehörden vermuten, dass sie für Konfliktparteien in Bengasi bestimmt war. So schreibt es eine Resolution des UN-Sicherheitsrats vom Oktober 2015 der europäischen Marine im Mittelmeer vor. Offenbar war man dabei auf vieles vorbereitet, jedoch nicht darauf, was passieren soll, wenn man tatsächlich Schmuggler findet. Flüchtlinge, die man auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken rettet, bringt man nach Italien. Wohin jedoch mit Kalaschnikows? Diese Frage beschäftigt Brüssel seit dem Fund. Ein Dutzend Panzerfäuste sind für die EU zum Problem geworden. Es geht um die Lagerung und um die mögliche Zerstörung des Kriegsgeräts und darum, wer das bezahlen soll.

Abgeladen wurde die Fracht mittlerweile im sizilianischen Hafen Augusta. Doch die Italiener wollen nicht allein auf den Waffen und den Kosten sitzen bleiben. Und so haben sich die hochrangigen Soldaten des EU-Militärausschusses (EUMC) Gedanken über mögliche Lösungen gemacht und diese in einem vertraulichen Papier präsentiert, das die Süddeutsche Zeitung und der WDR einsehen konnten: Vielleicht können die Mitgliedsstaaten etwas mit dem Kriegsgerät anfangen? Der EU-Militärausschuss jedenfalls hält viel davon, bei den Ländern mal nachzufragen, ob dort Interesse an den Waffen und der Munition besteht. Zumindest aber sollte man fragen, ob sie nicht bereit wären, die Zerstörung zu übernehmen, wie es in dem Papier heißt. Die Franzosen hatten das zu Beginn der Mission einmal angeboten, 64 000 Euro pro Container Waffen. Doch einige Länder weigern sich, finanziell überhaupt etwas beizutragen. Zu Bedenken gegeben wird auch, dass die Schmuggelware in einigen Fällen vor Gericht noch als Beweismaterial benötigt werden könnte - und dass die UN-Experten die Waffen noch untersuchen müssen. Der Europäische Auswärtige Dienst, kurz EAD, ist nun gehalten, Vorschläge zur Problemlösung zu erarbeiten. Die werden noch für diesen Monat erwartet.

Die Finanzfrage jedenfalls dulde "keinen Aufschub mehr", heißt es mahnend in dem Schreiben. Von Seiten des EU-Militärausschusses wünscht man sich nun eine Art Gebrauchsanweisung dafür, wie man bei zukünftigen Waffenfunden verfahren soll. Schließlich, so warnen die Offiziere des Militärausschusses, müsse verhindert werden, was "mögliche rechtliche Konsequenzen und auch negative Folgen für den Ruf der Operation" haben könnte: Auf keinen Fall sollten die Schiffe der Operation "Sophia" Waffen und Munition einfach im Mittelmeer versenken. Es sei denn, "höhere Gewalt" zwinge sie dazu.

Dies wäre allerdings nicht einmal ungewöhnlich. Schiffe, die im Auftrag der EU vor der somalischen Küste Piratenschiffe kontrollieren, sollen laut Bundeswehrkreisen durchaus einmal konfiszierte Waffen und Sprengstoff über Bord geworfen haben - weil der Transport oft kostspielig und gefährlich sein kann. In der Marine hat man dafür sogar ein Wort: "Ozeanisieren". Im Fall der libyschen Waffen im Mittelmeer jedoch sei dies unbedingt zu vermeiden.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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