Ministerien:Alarm am Rhein

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Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Barbara Hendricks (SPD) auf einer Pressekonferenz. (Foto: dpa)

Umweltministerin Barbara Hendricks gründet einen Arbeitsstab zum Bonn/Berlin-Umzug.

Von BERND DÖRRIES, Düsseldorf

Deutschland ist nicht mehr geteilt, hat dafür aber eine geteilte Hauptstadt. Im Berlin/Bonn-Gesetz steht geschrieben, dass auch nach dem Umzug der Hauptstadt vom Rhein an die Spree "der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien" in Bonn bleiben muss. Mathematisch gesehen ist das kein großes Rätsel. Dennoch wird nun seit 24 Jahren - so alt ist das Gesetz zum Regierungsumzug schon - darüber gestritten, wie groß der größte Teil ist. Den Bonnern ist er eher zu klein, derzeit arbeiten nur 38 Prozent aller Beamten in der Bundesstadt, wie sie sich nun nennt.

Seit Jahren gibt es deshalb unter den örtlichen Bundestagsabgeordneten und sonstigen politischen Vertretern eine Art permanente prophylaktische Empörung, die spontan abrufbar ist, wenn immer jemand überlegt - oder auch nur ankündigt, darüber nachzudenken, ob die geteilte Hauptstadt wirklich Sinn ergibt. Dieser Tage ist es mal wieder zu einer solchen Eruption der Befindlichkeiten gekommen: Es sei "nicht hinnehmbar", dass die Bundesregierung das Berlin/Bonn-Gesetz unterlaufe, sagte Angelica Schwall-Düren, die Düsseldorfer Landesministerin für Bundesangelegenheiten dem Express. Sie bezog sich darauf, dass die Umzugsbeauftragte der Bundesregierung, die Umweltministerin Barbara Hendricks, einen Arbeitsstab ins Leben gerufen hat, der sich mit der Zukunft der zerstückelten Ministerien beschäftigen soll. Sofort waren die örtlichen Abgeordneten der Region zur Stelle und bekräftigten über alle Parteigrenzen hinweg, was immer da geplant werde, dürfe gewiss nicht zulasten Bonns gehen.

Beim leisesten Verdacht, dass Beamte nach Osten ziehen sollen, regt sich Empörung in Bonn

Dabei weiß derzeit niemand so genau, was Hendricks überhaupt vorhat. Irgendetwas muss sie ja tun als Umzugsbeauftragte. Für die Bonner aber klingt allein schon ihr Titel so, als würde es weitergehen mit dem Wegzug der Ministerien. Hendricks, so eine Sprecherin, "will noch in dieser Legislaturperiode mit Beteiligten auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene und auch mit internationalen und sonstigen Institutionen in Bonn Gespräche zum weiteren Umgang mit der Aufteilung der Aufgaben auf die beiden Standorte für alle Bundesministerien aufnehmen". Das klingt einigermaßen harmlos.

In Bonn befürchtet man aber, dass es weitergehe mit der "Rutschbahn": Seit Jahren wird dort die schleichende Verkleinerung der Ressorts beklagt, besonders Thomas de Maizière hat sich bei den Bonnern wenig beliebt gemacht. Er zog erst als Verteidigungs- und dann als Innenminister recht massiv Personal nach Berlin ab. Ähnliches wird Finanzminister Wolfgang Schäuble angekreidet. Auf der anderen Seite wurden aber auch etliche Behörden in Bonn neu angesiedelt. Bonn hat unter dem Hauptstadtumzug nicht gelitten, die Stadt boomt, unter Mithilfe des Bundes entstanden neue Arbeitsplätze, die UN hat sich mit einem Campus niedergelassen. Die Stadt hat das höchste Bruttoinlandsprodukt in Nordrhein-Westfalen. Was Bonn aber auch hat, ist eine Art Phantomschmerz über den Verlust an Bedeutung. Früher war man Hauptstadt, heute ist man nur noch auf der Wetterkarte des ZDF.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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