Mindestlohn-Debatte:Der Vizekanzler ruft zur Ordnung

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Nach dem Streit um den Mindestlohn hat Vizekanzler Müntefering der Großen Koalition ins Gewissen geredet: Union und SPD sollten sich der Verantwortung für das Ganze bewusst werden - und wichtige Themen nicht "kaputt reden".

Nach dem Streit um den Mindestlohn hat Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) die große Koalition davor gewarnt, weitere wichtige Aufgaben aus Parteiinteressen "kaputt zu reden". "Ich möchte, dass die Koalition sich besinnt und dass wir uns anstrengen", sagte Müntefering in den ARD-Tagesthemen.

Vizekanzler Franz Müntefering (Foto: Foto: dpa)

Die Koalition müsse sich "ihrer Verantwortung für das ganze" bewusst sein und dürfe sich nicht darin verlieren, "Themen irgendwo kaputt zu reden". Beim Mindestlohn habe die SPD 50 Prozent ihrer Ziele erreicht, "die anderen 50 Prozent müssen wir noch holen".

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warnte die SPD davor, den Mindestlohn zum Wahlkampfthema zu machen. Die SPD sei wegen ihrer schlechten Umfragewerte und dem Auftreten der Linkspartei nervös geworden, sagte er der Saarbrücker Zeitung. Sie müsse vorsichtig sein, "dass ihre momentane Unsicherheit nicht zu einer für sie falschen Strategie führt". In Sachen Mindestlohn werde die Linkspartei die SPD immer überbieten.

Die SPD war im Koalitionsausschuss mit ihrer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn gescheitert. Die Spitzen der Koalition hatten sich am frühen Dienstagmorgen nach siebenstündigen Verhandlungen aber darauf verständigt, dass weitere Branchen einen tariflich vereinbarten Mindestlohn für alle Betriebe festschreiben lassen können.

Künftig sollen aber auch solche Arbeitnehmer einen fairen Lohn erhalten, die nicht durch das Entsendegesetz geschützt werden. Dazu soll das über 50 Jahre alte Mindestarbeitsbedingungen- Gesetz aktualisiert werden. Mindestlöhne könnten dann auch in Branchen regional festgesetzt werden, in denen es keine Tarifverträge gibt oder nur für eine Minderheit.

Lob für diese Vereinbarungen kam vom Vorsitzenden der IG Bergbau Chemie Energie, Hubertus Schmoldt. Die Union habe anerkannt, "dass in Deutschland Menschen ausgebeutet und zu Hungerlöhnen beschäftigt werden", sagte er der Frankfurter Rundschau. Das sei "auch politisch ein Fortschritt". Die Arbeitgeber dürften aber keine Blockademöglichkeit bei der Festlegung von Mindestlöhnen haben. Wenn sich die Tarifparteien nicht einigen könnten, müsse der Arbeitsminister das letzte Wort haben, forderte Schmoldt.

Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, kritisierte die Beschlüsse. Ein niedriger gesetzlicher Mindestlohn von etwa fünf Euro wäre "im Vergleich zu den jetzt beabsichtigten branchenspezifischen Lösungen das kleinere ökonomische Übel gewesen", sagte er der Welt. Mit der Ausweitung des Entsendegesetzes komme man nicht dem Ziel näher, "dass jeder von seiner Hände Arbeit leben kann".

SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sieht das Ja zu einem gesetzlichen Mindestloh nur aufgeschoben. "Ich glaube, dass die Union mit uns jetzt einen Stein ins Rollen gebracht hat, der am Ende einen flächendeckenden Mindestlohn in ganz Deutschland zu Ergebnis haben wird", sagte sie dem Nachrichtensender n-tv.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warnte vor dem Verlust von Arbeitsplätzen durch staatliche Lohnfestsetzungen. Die bessere Lösung sei ein Steuerzuschuss an Niedrigverdiener, sagte er dem Sender n-tv. So entstehe der Anreiz, "eine schlecht bezahlte Tätigkeit anzunehmen".

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