30 Milliarden Euro Entlastung:Hoffen auf Schäuble

Lesezeit: 3 min

Der Wirtschaftsflügel der Union verlangt eine Steuerreform. FDP und Grüne lästern. Selbst die CDU-Spitze reagiert wenig begeistert - aber es gibt ja noch den Finanzminister.

Von Robert Roßmann, Berlin

Carsten Linnemann bemüht sich gar nicht erst, das Problem zu kaschieren. Die Union habe in der Steuerpolitik ein ziemliches Glaubwürdigkeitsproblem, sagt der Chef des Wirtschaftsflügels - und illustriert das gleich mit seinen Erfahrungen. Der Wirtschaftsflügel hat ein Konzept für eine große Steuerreform präsentiert. "Und es gibt zwei Reaktionen", berichtet Linnemann. "Die einen sagen: Endlich wacht die CDU auf und packt dieses Thema an. Die anderen sagen, wir glauben euch sowieso nicht mehr." Das sei auch kein Wunder, findet Linnemann. Denn in der Vergangenheit seien viele Steuerentlastungen angekündigt, aber nicht realisiert worden.

Linnemann ist seit drei Jahren Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) von CDU und CSU. Er kam wenige Tage nach der Abwahl der schwarz-gelben Bundesregierung ins Amt. Für die Wirtschaftspolitiker in der Union war das ein schwerer Schlag. Egal ob Mindestlohn, Frauenquote, Mietpreisbremse oder Mütterrente: Die Liberalen hatten in der Koalition immer all das verhindert, was auch dem CDU-Wirtschaftsflügel ein Graus war. Seit die Union mit den Sozialdemokraten regiert, hat der Wirtschaftsflügel im Koalitionspartner keinen natürlichen Verbündeten mehr, sondern einen ziemlich starken Gegner. Und im Bundesrat verfügen die Grünen seit ihrem Siegeszug in den Ländern über eine Vetomacht.

Die Aussichten für Steuersenkungen in Milliardenhöhe sind also nicht gut. Angesichts der Rekord-Steuereinnahmen will Linnemann aber erreichen, dass wenigstens die CDU wieder ernsthaft für niedrigere Steuern kämpft. Deshalb präsentierte die MIT am Montag ein Konzept für eine große Reform. In drei Stufen sollen die Bürger bis zum Jahr 2020 um gut 30 Milliarden Euro entlastet werden. Zunächst soll 2018 die Werbungskosten-Pauschale von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden. 2019 soll der sogenannte Mittelstandsbauch im Steuertarif abgeflacht werden, dadurch würde die Steuerlast erneut sinken. Außerdem soll der Spitzensteuersatz künftig erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 Euro greifen, bisher liegt die Grenze bei 53 666 Euro. In einem dritten Schritt soll 2020 der Kinderfreibetrag auf den Wert für Erwachsene angehoben werden und das Kindergeld erhöht werden. Das alles soll aus den vorhergesagten Steuermehreinnahmen finanziert werden. Glaubt man den Berechnungen des MIT, reicht ein Drittel dieser Mehreinnahmen aus, um die gesamte Reform zu bezahlen.

Die Sozialdemokraten sprechen von einer unsoliden Gegenfinanzierung

Wie groß das von Linnemann eingestandene Glaubwürdigkeitsproblem der Union ist, zeigte sich auch in den Reaktionen der politischen Konkurrenz. FDP-Chef Christian Lindner sagte, ein Jahr vor der Bundestagswahl entdecke der Wirtschaftsflügel der Union "mal wieder Steuerentlastungen als Thema". Nach drei Jahren "steuerpolitischer Untätigkeit der Union" im Bundestag sei diese Ankündigung "ein Scherz". Die Grünen sprachen von einer "Luftnummer" der Union. Und die SPD beklagte die ihrer Ansicht nach "unsolide Gegenfinanzierung" des Steuerkonzepts.

Noch interessanter waren an diesem Tag aber die Reaktionen aus der CDU-Spitze und dem Finanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU). Schließlich hat die Parteiführung in den vergangenen Monaten nicht gerade den Eindruck erweckt, an einer Steuersenkungsdebatte interessiert zu sein. CDU-Generalsekretär Peter Tauber versicherte denn auch etwas gequält, man freue sich über Vorschläge für das Wahlprogramm. Die CDU sei "die Partei derjenigen, die jeden Tag hart arbeiten und unser Land voranbringen" - und für diese Menschen werde es im Wahlprogramm auch Angebote geben. Aber für die CDU habe in den nächsten Jahren "bei allen Diskussionen das Einhalten der Schuldenbremse und damit eine seriöse Finanzpolitik oberste Priorität". Begeisterung klingt anders.

Der Wirtschaftsflügel der Union setzt deshalb auf Wolfgang Schäuble. Ein Sprecher des Finanzministers verwies am Montag auf Äußerungen Schäubles, die man als Unterstützung für eine deutliche Senkung der Steuern interpretieren kann. Der Finanzminister hatte gesagt, sein Ziel sei es, dass die Steuerquote nicht weiter steige. Die Quote gibt an, wie hoch die Steuereinnahmen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind - sie wird den Prognosen zufolge zwischen 2016 und 2020 um einen guten halben Prozentpunkt steigen. Eine Reduzierung um einen Zehntelprozentpunkt kostet den Staat etwa drei Milliarden Euro. Schäuble hat die Kalkulation nicht selbst zu Ende geführt, aber man kann den Spielraum leicht ausrechnen, den der Minister offenbar sieht. Es wären etwa 15 Milliarden Euro. Von den gut 30 Milliarden Euro, die der Wirtschaftsflügel jetzt verlangt, ist aber auch das weit entfernt.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: