Militär-Kampagne:Finnland zeigt sich wehrbereit

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Sichtweite zu Russland: Finnische Grenzwächter patrouillieren im äußersten Osten des Landes. (Foto: Lehtikuva Lehtikuva/Reuters)

Das Land an der Grenze zu Russland schreibt 900 000 Reservisten an und will stärker mit Schwedens Armee kooperieren.

Von Silke Bigalke, Stockholm

"Wir möchten mit Ihnen reden", mit diesen Worten wendet sich Finnlands Militär in einem TV-Spot an seine Reservisten. Die Wehrpflicht sei "der Eckpfeiler finnischer Verteidigungsfähigkeit". Der Spot, der zu Beginn der vergangenen Woche im staatlichen Fernsehen lief, gehört zu einer breit angelegten Kampagne: Insgesamt 900 000 Reservisten schreibt das Militär in diesem Monat persönlich an und informiert sie darüber, für welchen Posten sie im Krisenfall eingeteilt würden. Außerdem möchte es wissen, ob sich die Adressen der Reservisten geändert haben.

Mit der verschlechterten Beziehung zum großen Nachbarn Russland habe das alles nichts zu tun, hatte Verteidigungsminister Carl Haglund schon vor Wochen abgewunken. "Viele Reservisten sind daran interessiert zu erfahren, welche Aufgabe sie erhalten würden." Sie seien motiviert, zur Landesverteidigung beizutragen, deswegen sei es gut, sie regelmäßig über entsprechende Pläne zu informieren. Das Militär verbreitet, die Kampagne sei bereits seit 2013 geplant gewesen, schon 2010 habe eine Arbeitsgruppe sie empfohlen, also lange vor Beginn der Krise in der Ukraine. Trotzdem wird nun viel spekuliert darüber, inwieweit Finnland auch darauf reagiert, dass Russland seine Streitkräfte und militärischen Aktivitäten in der Region verstärkt hat.

Vor allem ein online veröffentlichter Artikel des US-Nachrichtenmagazins Newsweek hat Aufregung verursacht. Das finnische Militär bereite seine Reservisten auf eine Krise vor, heißt es darin. Der Artikel wurde von vielen finnischen Medien aufgegriffen und als übertrieben kritisiert. Auch das Verteidigungsministerium reagierte sofort und betonte, die Verschickung von 900 000 Briefen stehe in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Lage.

Seit Monaten betonen die Regierung und der Präsident in Helsinki, Russland stelle keine akute Bedrohung für Finnland dar. Erst Mitte April hatte das auch der Kommandeur der finnischen Streitkräfte, Jarmo Lindberg, in einem Fernsehinterview erklärt. Er sagte allerdings auch: "Der gesamte Umfang der Aktivitäten nahe Finnlands Grenze ist gewachsen. Aus diesem Grund müssen wir unsere Bereitschaft entsprechend überprüfen." Anfang des Jahres berichteten finnische Zeitungen, Russland versetze mehrere Tausend Soldaten an den Alakurtti-Stützpunkt in der Region Murmansk, nur 60 Kilometer entfernt von der finnischen Grenze.

Um ihre Verteidigung zu stärken, haben Finnland und Schweden beschlossen, enger zusammenzuarbeiten. Beide sind keine Nato-Mitglieder, nehmen aber an Nato-Übungen teil und unterstützen das Bündnis mit Truppen und Infrastruktur. In ihrer Beziehung zu Russland stehen sie vor ähnlichen Problemen: Vergangene Woche gab es Berichte über ein Unterwasserobjekt nahe Helsinki, womöglich ein U-Boot, womöglich ein russisches. Das Militär hielt sich mit Auskünften jedoch sehr zurück, nachdem eine erfolglose U-Boot-Jagd vor Stockholm im Herbst zu einem Medienereignis geworden war. Die Mehrheit der Finnen, 57 Prozent laut einer Umfrage vom März, sind weiter gegen einen Nato-Beitritt. Unter den Reservisten ist es laut einer Befragung durch das Magazin der Finnischen Reservisten-Organisation anders: Hier sind 53 Prozent für einen Beitritt.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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