Merkels Regierungsstil:Unverändert in der Krise

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Die Debatte um das Konjunkturpaket zeigt: Angela Merkel führt nicht, sondern verwaltet ordentlich. Doch dieser Regierungsstil hat der Kanzlerin bislang nicht geschadet.

Nico Fried

Vor gut einem Jahr nannte die Bundeskanzlerin 2008 das Schlüsseljahr der großen Koalition. Nun müsse sich zeigen, so Angela Merkel damals, ob die Regierung das, was sie an Reformpolitik begonnen habe, fortsetzen und zu Ende bringen könne. So lautete die Antwort der Kanzlerin auf die seinerzeit viel gestellte Frage, was die große Koalition mit der ihr verbleibenden Zeit eigentlich noch anfangen wolle. Es war eine Antwort, die nach Routine klang und Langeweile.

Kanzlerin Merkel: Sehenden Auges in eine Situation gelaufen, die ihr nun zurecht als Niederlage gegen Horst Seehofer ausgelegt wird. (Foto: Foto: dpa)

Ein Jahr später sind die Zeiten völlig anders und die Kanzlerin steckt in der größten politischen Herausforderung ihrer Amtszeit - das gilt bereits seit einigen Monaten und sehr wahrscheinlich noch für einige mehr. Das Wort vom Schlüsseljahr bekommt nun eine neue Bedeutung. Wenn es schlecht läuft, dann bleiben nicht nur ein paar Reformen unerledigt - dann bleibt vielmehr fast gar nichts mehr von dem, womit diese Regierung sich schmückte, von der sinkenden Arbeitslosigkeit bis zur Haushaltskonsolidierung. Die Kanzlerin wäre gescheitert. Und im September wird gewählt.

Am meisten fällt in dieser Situation auf, dass Merkel genau so reagiert und regiert wie in den drei Jahren zuvor. Wer unter politischer Führung versteht, dass eine Kanzlerin sagt, sie wolle hierhin oder dorthin und zwar konkret so und so und so, der ist von der Kanzlerin Merkel noch nie wirklich geführt worden. Wer unter Stärke versteht, dass eine Regierungschefin den Konflikt auch mal auf die Spitze treibt und mit der Hand auf den Tisch haut, der muss Angela Merkel für schwach halten.

Es gibt da einen bemerkenswerten Gegensatz: Außenpolitisch hat diese Kanzlerin bisweilen einiges riskiert, zuletzt mit ihrer unerschütterlichen pro-israelischen Haltung im Gaza-Krieg, für die es mit jedem Tag, den der Konflikt anhält, verdammt guter Argumente bedarf. Innenpolitisch aber nimmt Merkel immer wieder nahezu widerstandslos den Vorwurf mangelnder Durchsetzungsfähigkeit in Kauf, moderiert und laviert, schließt in stundenlangen Koalitionsrunden lieber schwer erklärbare Kompromisse als gar keine, gibt sich eher als Verwalterin denn als Kanzlerin.

Die aktuelle Debatte um das Konjunkturpaket ist dafür symptomatisch: Sehenden Auges ist Merkel in eine Situation gelaufen, die ihr nun zurecht als Niederlage gegen Horst Seehofer ausgelegt wird. Über Wochen war die Kanzlerin gegen kurzfristige Steuersenkungen, jetzt muss sie auf Drängen des CSU-Vorsitzenden irgendwie dafür sein. Nächste Woche bekommt dann die SPD noch einige Wünsche erfüllt, mithin der Vizekanzler und Gegenkandidat Frank-Walter Steinmeier - nur was eigentlich die amtierende Kanzlerin originär an Vorschlägen zu diesem Konjunkturpaket von 50 Milliarden Euro beigetragen hat, bleibt im Diffusen. Angela Merkel geht eben nicht voran und erreicht mit Wunden und Schrammen ihr Ziel - die Kanzlerin lässt anderen den Vortritt, sammelt ein und präsentiert am Ende lächelnd das Ergebnis. Ihr Ergebnis.

Mit einigem Recht kann Merkel darauf verweisen, dass ihr dieser Regierungsstil nicht geschadet hat. Nichts deutet darauf hin, dass sich derzeit eine Mehrheit der Deutschen einen anderen Kanzler wünscht. Merkel darf geltend machen, dass eine große Koalition gar nicht anders überleben kann als in Ausgleich und Kompromiss. Und dass die kleinen Siege, die sie Seehofer oder Steinmeier gewähren muss, nur ihre Verantwortung für das große Ganze unterstreichen.Nur wer hat, der kann auch geben.

Wenn das aber so ist, dann erlaubt es auch nur einen Schluss: Das Regieren in einer großen Koalition ist für Angela Merkel der politische Idealfall. Sie hat sich in drei Jahren Kanzleramt mit den Zwängen am besten arrangiert. Natürlich gibt es Unmut auch in ihrer CDU, aber was ist das schon im Vergleich zu den Verwerfungen in der bayerischen Schwesterpartei oder gar bei den Sozialdemokraten.

Auch dass alle in der großen Krise zusammenrücken müssen, entspricht Merkels großkoalitionärem Verständnis. Sie weiß, dass Union und SPD, dass sie und Steinmeier und sogar Seehofer 2009 voneinander in einem Maße abhängig sind, dass sich jede übertriebene Zuckung in Richtung Wahlkampf verbietet. In der Wirtschaftskrise eint alle drei das Interesse, nicht gemeinsam unterzugehen. Ob aber am Ende Seehofer dafür gesorgt hat, dass der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer um ein paar hundert Euro steigt, oder Steinmeier dafür, dass der Zahnersatz wieder aus Steuermitteln finanziert wird, ist bei den Bürgern schnell vergessen.

Angela Merkels Gegner werden der Kanzlerin im Wahlkampf vorhalten können, dass sie in den vergangenen vier Jahren weder politisch geführt noch gar das Land entscheidend geprägt hat. Sie hat ordentlich verwaltet, und viele von denen, die das im Wahlkampf kritisieren müssen, haben mitgemacht. Merkel hat bei Gerhard Schröder, der SPD und der rot-grünen Koalition gesehen, wie man in einer Weise regieren kann, von der es irgendwann keine Erholung mehr gibt. Das hat sie vermieden. Und die große Koalition bietet ihr dafür auch 2009 die perfekte Kulisse. So wird man keine große Kanzlerin. Aber immerhin besteht die Chance, Kanzlerin zu bleiben.

© SZ vom 07.01.2009/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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