"Merkelärgern" in der CDU:Rüttgers greift Kanzlerin an

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Der nordrhein-westfälische Regierungschef Rüttgers ist gegen eine "Personalisierung" der CDU und nervt die Parteispitze.

Dirk Graalmann

Jürgen Rüttgers (CDU) hat es in der Disziplin "Merkelärgern" zu einer gewissen Könnerschaft gebracht. Regelmäßig bringt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident seine Partei und ihre Vorsitzende Angela Merkel genussvoll in die Bredouille. Zuletzt hatte er die CDU-Führung mit seiner Forderung genervt, die Renten für Geringverdiener mit Steuergeld aufzustocken. Am Ende stand ein Kompromiss, Rüttgers änderte den entsprechenden Leitantrag für den Landesparteitag in Dortmund ins Vage ab. Nebenher hatte er jedoch seinen Ruf als soziales Gewissen der CDU wieder aufpoliert.

Jürgen Rüttgers freut sich diebisch, wenn er die CDU-Spitze ein wenig ärgern kann. (Foto: Foto: dpa)

Am Samstag wurde der modifizierte Leitantrag nun auf dem Parteitag der NRW-CDU ohne Gegenstimme verabschiedet. Rüttgers nutzte die Gelegenheit, um den jüngsten Vorstoß der Kanzlerin zu kontern. Angela Merkel hatte am Donnerstag bei einer Festveranstaltung zum 60. Jahrestag der Wirtschafts- und Währungsreform flugs die "Bildungsrepublik Deutschland" ausgerufen und sich so eines originären Landesthemas bemächtigt.

Das forderte den Widerspruch des Ministerpräsidenten heraus. "Mehr Bildung ist nicht für alle und alles ein Allheilmittel", sagte Rüttgers. "Bildung ist nicht der Kern der sozialen Marktwirtschaft. Bildung ist ein Menschenrecht." Eine Spitze gegen die Kanzlerin, wie Rüttgers-Getreue freudig einräumten: "Das geht voll gegen Merkel."

Damit auch jeder sein Veto gegen eine Merkel-ergebene CDU wahrnahm, streute der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende in seine 50-minütige Rede noch weitere Spitzen gegen die im Land überaus populäre Kanzlerin ein. So warnte er seine Partei, einzig auf die guten Umfragewerte zu vertrauen. "Die Personalisierung wird allein in Zukunft nicht tragen", so Rüttgers.

Wettern gegen Turbokapitalismus

Er sprach dabei eigentlich über sich und seine ebenfalls guten persönlichen Zustimmungsraten - aber er zielte vor allem auf die Kanzlerin. "Bei Umfragen und Wahlen kommt es auf die Stimmen für die CDU an. Das ist entscheidend." Ein Hinweis darauf, dass die CDU trotz der großen Sympathien für Merkel in den Umfragen an der 40-Prozent-Marke verharrt.

Einzig eine Politik, die "wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit verbindet", bringe den Erfolg, sagte er. Weiter forderte Rüttgers die CDU erneut auf, die soziale Frage stärker zu gewichten, wetterte gegen "Turbokapitalismus" und den Einfluss der chinesischen Staatsbank in Deutschland. Das sozialdemokratisch gefärbte Gepolter hat Methode. Schließlich wirbt er unablässig um eine Klientel, die er gern "Johannes-Rau-Wähler" nennt.

Die Anhänger des früheren NRW-Ministerpräsidenten seien nun heimatlos geworden, denn "die SPD ist keine Volkspartei mehr". Nur die CDU sei in der Lage, "alle Schichten des Volkes" anzusprechen. Dies sei "eine Chance, aber auch eine große Aufgabe". Rüttgers will die Richtung mitbestimmen. Im Zweifel auch gegen seine Chefin Angela Merkel.

© SZ vom 16.6.2008/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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